Wie gut gemachte Kampagnen zum Werbeklassiker avancieren – und worauf es dabei ankommt.
Tag für Tag prasseln auf Konsumenten Tausende Werbebotschaften ein, doch nur ein Teil davon bleibt tatsächlich in den Köpfen der Menschen hängen. Nichtsdestotrotz gibt es sie, die Werbekampagnen, die wirklich von sich reden machen – nicht nur auf den Bühnen von Werbe-Awardshows, sondern auch in der breiten Bevölkerung.
Doch was unterscheidet eine gut gemachte, funktionierende Kampagne von einer echten Kultkampagne? Was bedeutet Kult im Kontext von Kreation überhaupt? Und welche Unternehmen beziehungsweise Agenturen haben es bis dato geschafft, kultige Werbeoffensiven zu entwickeln? HORIZONT fragte nach.
Demner, Merlicek & Bergmann hat in der Vergangenheit für einige Kampagnen mit Kultstatus gesorgt. Die Zusammenarbeit mit Darbo ist ebenso bekannt wie die Arbeiten im Auftrag von Ja! Natürlich mit dem frechem Schweinchen als Testimonial, oder die Kampagnen für Vöslauer mit Werbegesichtern wie Cindy Crawford, Claudia Schiffer und Sienna Miller.
Auch die Familie Putz, die seit 1999 für die Bewerbung von XXXLutz im Einsatz ist, stammt aus der Feder von D,M&B. „Die drei Generationen, die die Familie Putz repräsentiert, stehen stellvertretend für alle Österreicher – denn XXXLutz hat für jeden das Richtige“, erklärt Agenturchef Mariusz Jan Demner den Gedanken hinter der Kreation. Demner bezeichnet die Kampagne als „längstdienende und erfolgreichste Soap Opera der österreichischen Werbegeschichte“.
Um ihr Fortbestehen sicherzustellen, sind Kontinuität und ein roter Faden allerdings unabdingbar. „Die Familie Putz ist immer auch auf gesellschaftliche Ereignisse abgestimmt. So war sie schon einmal Teil des Bundespräsidentschaftswahlkampfs, war mit den Österreichern beim Opernball, beim Song Contest und bei vielen anderen Ereignissen“, führt der Werbeprofi aus.
Relevanz beweisenAuch wenn es für die Entwicklung einer Kultkampagne wohl kein Universalrezept gibt, ist für Michael Kapfer, CEO der Werbeagentur GGK Mullenlowe, klar: eine Werbeoffensive muss „relevant und im besten Sinne des Wortes merkwürdig sein“, um als kultig zu gelten. Kapfer zieht dabei den Vergleich zu einem Musikhit, der über mehrere Jahre on air ist und eine möglichst breite Masse anspricht.
„Und sie muss vor allem eins sein: mutig. Wobei die Richtigkeit der Botschaft immer gegeben sein muss, sonst bleibt sie das, was viele Kampagnen sind, die auszogen, um Kult zu werden: nämlich Werbung für Werber, die sonst niemanden interessieren und somit auch sehr schnell wieder verschwinden“, ergänzt der Geschäftsführer.
Als Beispiele für Kreationen, die Werbegeschichte geschrieben haben, zeigt sich Michael Kapfer stolz auf die hauseigene Zusammenarbeit mit Lotto. Der Slogan „Alles ist möglich“ ist hierzulande wohl den meisten ein Begriff, ebenso wie die Frage „Wie viel profil hat Ihre Meinung?“, die GGK Mullenlowe (vormals Lowe GGK) seit Jahren in Ihrer Kampagne für das Nachrichtenmagazin profil einsetzt. Zudem hebt der CEO die Kreation von McCann im Auftrag von Gösser lobend hervor, „bei den anderen ist der Einsatzzeitraum zu kurz, um zu erkennen, ob eine davon das Zeug zur Kultkampagne hat“.
Kult ist nicht gleich KultDie bereits erwähnte profil-Kampagne nennt auch Springer-&-Jacoby-Geschäftsführer Paul Holcmann als Beispiel für Werbung mit Kultcharakter, denn diese ist, so sagt er, „seit Jahrzehnten unverändert in Design und Güte. Zeitloser Kult, da immer auch am Puls der Zeit.“ Ebenso findet Holcmann, dass es für Kult keine Erfolgsformel gibt, denn: „Mein Kult ist nicht zwangsläufig auch dein Kult.
Kult kann inspirierend oder auch schmerzhaft sein.“Als schmerzhaft oder zumindest nervig haben in der Vergangenheit einige die „Geiz ist geil“-Kampagne von Jung von Matt/Hamburg bezeichnet. Diese Kreation ist mittlerweile Geschichte, doch für Lukas Leitner, Geschäftsführer von Cayenne, ist sie ein Paradebeispiel für kultige Kreation.
„Eine Kampagne bekommt immer dann Kultstatus, wenn sie auch Teil unserer Alltagskultur wird oder daraus auch Bestandteile in die Alltagssprache übernommen werden“ – bei „Geiz ist geil“ sei dies der Fall gewesen, begründet er. „Sager wie ‚Servus die Wadln‘ oder ‚Iss was Gscheit’s!‘, die legendären Humanic-Spots, der Alvorada-Taxler oder Römerquelle-Spots sind für mich persönlich echte österreichische Klassiker“, führt der Geschäftsführer des weiteren aus.Zudem merkt Leitner an, dass Werbung zunehmend internationaler wird.
Dies schlägt sich, erklärt er, „in schwindendem Lokalkolorit nieder“ und führt somit dazu, dass Kultkreationen immer seltener eine österreichische Handschrift tragen. Dennoch: „Aktuell besitzt etwa die ‚Hecht geil!‘-Kampagne von Raiffeisen Potential, zum Selbstläufer zu werden“, hebt Leitner die Agentur Ogilvy & Mather abschließend lobend hervor. Man darf gespannt sein.
[Gerlinde Giesinger]