Oberösterreichs Agenturszene setzt auf Vernetzung und kreative Konzepte. Zukünftigen Herausforderungen möchte man mit Flexibilität und Innovationen begegnen.
Wenn nationale wie internationale Werbepreise vergeben werden, sind Agenturen aus einem österreichischen Bundesland mit großer Wahrscheinlichkeit immer unter den Gewinnern – jene aus Oberösterreich. Denn in dem Bundesland hat sich in den vergangenen Jahren eine starke und lebendige Agenturszene etabliert. Branchengrenzen werden dabei gerne überschritten und die oberösterreichischen Kreativen setzen auf klassische Kommunikation via Print oder Außenwerbung ebenso wie auf digitale Kommunikation im Internet oder am POS.
Vernetzung & Start-up Kultur
Mittlerweile haben die Agenturen erkannt, dass das Motto „gemeinsam stark“ auch in ihrer Branche Gültigkeit hat, und setzen zunehmend auf Kooperation, wie Silvia Lackner von der Agentur Die Jungen Wilden, sagt. „In keinem anderen Bundesland ist die Dichte an Werbe- und Kommunikationsagenturen so hoch wie in Oberösterreich. Das macht die oberösterreichische Werbebranche zu etwas Besonderem. Kund:innen steht somit eine vielfältige Auswahl an Werbeprofis zur Seite, die mit kreativen Konzepten überzeugen. Dabei vernetzen sich die Agenturen miteinander, um mit ihren unterschiedlichen Kernkompetenzen das beste Ergebnis für Kund:innen zu erzielen.“ In einer immer schneller werdenden Gesellschaft haben sich auch die Ansprüche der Kund:innen verändert, sagt die Kreative. Prozesse werden beschleunigt und das Budget für kreative Leistungen ist knapp.
„Auch die digitale Entwicklung, allen voran Social Media, fordert die Werbebranche und treibt das Tempo zunehmend an. Als Werber sind wir gefordert, äußerst flexibel und schnell zu reagieren. Aber diese Herausforderungen bringen neue und spannende Projekte, die unsere Kreativität fördern.“
Bernhard Buchegger, Geschäftsführer Strategie und Beratung der Agentur Gruppe am Park, ist davon überzeugt: „In Oberösterreich brummt’s.“ Er berichtet, dass man sich in dem Bundesland in einem Kraftfeld aus stärkstem Wirtschaftsraum, Digitalisierungsschwerpunkt im Ausbildungsbereich und einer vibrierenden Start-up-Kultur befinde – eine Dynamik, die auch die Agenturszene „füttert“. „Kreatives Potenzial hat sich mittlerweile auch außerhalb Wiens etabliert. Dazu kommt die oberösterreichische Umsetzungskraft – ein gewisser Pragmatismus, der der oftmals abgehobenen Werbeszene gut tut.“
Nischen besetzen
Als Wirtschaftsstandort Nummer eins in Österreich mit vielen Global Players sind die Agenturen des Bundeslandes Vorreiter in Sachen B2B, ist Christoph Schumacher, Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation in der WKOÖ und Inhaber der Welser Agentur C+M Consulting a(n)d Marketing, überzeugt. Die Stärke der Betriebe liege darin, Crosschannel vernetzt zu denken und auch so zu arbeiten, weil vernetzt gedachtes Marketing den Impuls bringen kann. „Das unterscheidet uns sicher von anderen Märkten, wo zwar viele Topbetriebe in einzelnen Disziplinen unterwegs sind, aber eben nur in One-Slice-Of-Life und nicht in vernetzter Kompetenz.“
Mit dem Besetzen durchdachter Nischen und gut gemachtem Branding können, so Schumacher, auch die sogenannten Kleinen ganz vorn mitmischen. Dabei sei der Job als Fachgruppe mehrschichtig zu sehen: „Zum einen ist es unsere Aufgabe, unseren Betrieben internationales Know-how und internationale Trends zu vermitteln. Dann geht es darum, Unterstützung in der Weiterbildung und Innovationsumsetzung zu geben. Hier haben wir im Gesamtverbund der WKOÖ sicher das dichteste Netzwerk an Förderungen und Weiterbildungsmaßnahmen in ganz Österreich.“
Zukünftige Herausforderungen
Es werde sehr wichtig, ist Rainer Reichl, CEO Reichl und Partner Group, überzeugt, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren. Seine Agentur hat eine der ersten Digitalagenturen des Landes und eine der ersten Social-Media-Agenturen gegründet. „Wir sehen jetzt, dass die Kraft von Marken und gut überlegten Positionierungsstrategien zugunsten von innovativen Geschäftsmodellen verloren hat. Deshalb haben wir mit Reichl und Partner Future Thinking einen Thinktank gegründet, der sich mit der Renovierung aller und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle beschäftigt.“
Daraus entstehen auch Start-ups, an denen sich die Agentur beteiligt. Dabei sind, so Rainer Reichl, die digitale und ökologische Disruption die größten Herausforderungen „mit enormen Chancenpotenzial für Agenturen“. Welche Bedeutung Oberösterreich als Wirtschaftsstandort hat, sieht man bei Reichl und Partner auch an der Kundenstruktur: Rund 40 Prozent sind im B2B-Bereich tätig, viele davon mit internationalem Fokus.
Als ganzheitlich aufgestellte Agentur setzt Reichl und Partner auf mehrere Schwerpunkte, wobei Rainer Reichl davon ausgeht, dass es in Zukunft vor allem um innovative Strategien gehen wird, die kreativ umgesetzt werden wollen. „Wir bemühen uns, Ideen und Strategien zu entwickeln, die interessant sind, zur jeweiligen Zielgruppe und zum jeweiligen Unternehmen passen, über alle Kanäle spielbar sind und für mehrere Jahre auch umsetzbar sind. That’s it! Von kurzfristiger Effekthascherei halten wir nichts.“
Abkehr von der Oberflächlichkeit
„Die Welt ist aus dem Tritt, die Zukunft schwer vorhersehbar“, sagt Bernhard Buchegger von der Gruppe am Park. Um für diese neuen Herausforderungen gerüstet zu sein, brauche es mehr Agilität, Kreativität und Verständnis für den Wandel der Gesellschaft. Durch Corona, so der Werber, hat eine Verschiebung der Wertigkeiten stattgefunden, die Sprache hat sich verändert, die Menschen haben neue Bedürfnisse entwickelt. „Es findet eine beschleunigte Abkehr von der Oberflächlichkeit statt. Wir beobachten, dass von uns als Agenturpartner verstärkt strategische Beratungskompetenz und Kreativität gefragt sind. Wir haben die Chance, durch Kommunikation Orientierung für den Auftritt von Unternehmen und Marken am Markt zu schaffen – gerade jetzt ein zentrales Bedürfnis der Menschen.“
Die richtigen Kanäle
Die immer stärkere Differenzierung und Auffächerung der Zielgruppen nach demografischen und interessensgetriebenen Kriterien macht es, davon ist Jörg Neuhauser, Geschäftsführer der Werbeagentur upart, überzeugt, für Wirtschaftstreibende und Agenturen immer schwieriger, Botschaften zielgerichtet zu platzieren. „Es reicht nicht mehr, nur laut zu sein, vor allem muss der richtige Kanal ausgewählt werden, über den zielgruppengerecht kommuniziert wird. Das bedeutet aber auch, dass Kampagnen per se immer strategischer und durchdachter gestaltet werden müssen.“
Die Linzer Agentur beschäftigt aktuell besonders die Digitalisierung mit allen dazugehörenden Facetten und Kanälen. Deshalb wurde stark in Ressourcen und Know-how investiert. „Zum anderen ist das Thema Marke nach wie vor immens wichtig. In Zeiten, in denen Kunden kritischer, Unternehmen transparenter und Leistungen austauschbarer werden, ist das genaue Wissen um Marke, Positionierung und Werteraum eine zentrale Basis für die Kommunikation nach innen und außen“, sagt Jörg Neuhauser. Das Ziel: Einen großen Schritt in Richtung faktenbasierte Beratung und Betreuung im Marketing zu schaffen.
Community stärken
Um gestärkt in die Zukunft zu gehen und die oberösterreichische Community zu stärken, wurde die Initiative „Netzwerk Werbung“ ins Leben gerufen. Mitgliedsbetriebe können dabei im „virtuellen Schaufenster“ ihre Leistungen zur Schau zu stellen – und sind unter #Stolz_drauf aufgerufen, ihre Arbeiten auf der Landingpage von „Netzwerk Werbung“ zu präsentieren. „Für das kommende Jahr möchten wir“, berichtet Christoph Schumacher, „die Kommunikation und Vernetzung unserer Leistungsbetriebe noch weiter verstärken und arbeiten am Konzept ,Caesar 365‘, mit dem wir den zweijährlichen Event-Room Caesar zum Rund-ums-Jahr-Channel machen möchten – also zur permanenten Präsenz der Best Cases kommen wollen. Dass der Caesar 2022 zum Highlight unserer Branche werden wird, ist daneben selbstverständlich.“