Neun ohne Anstand
 

Neun ohne Anstand

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Kommentar von Hans-Jörgen Manstein

Wie sich eine Amateurtruppe als solche entlarvt hat – ein Trauerspiel

Susanne Senft, Jürgen H. Gangoly, Mag. Andrea Winter, Dr. Sabine Fichtinger, Dr. Ute Greutter, Mag. Andreas Bauer, Mag. Peter Schiefer, DDr. Julia Wippersberg, Susanne Hudelist – neun ­Namen, die man schon bisher nicht notwendigerweise kennen musste. Die Herrschaften sind Vorstandsmitglieder des PR-Verbandes Austria (PRVA). Und sie wissen anscheinend nicht, was sich gehört. Auch am 17. November 2015 blieben sie dezent im Hintergrund.

An diesem Tag fand in Wien ein ­Begräbnis statt. Zu Grabe getragen wurde der in seinem 76. Lebensjahr verstorbene Dr. Hermann Michelitsch. Er war nicht nur der langjährige Kommunikationschef von Rank Xerox und vor allem der OMV, er war auch, wie ein Leser des HORIZONT schrieb, „eine PR-Benchmark“ seit den Anfängen des PR-Verbandes. Hermann Michelitsch war aber noch mehr. Er war eines der Gründungsmitglieder des PRVA und dessen erster Präsident. Um es klar auszusprechen: ohne Hermann Michelitsch gäbe es den PRVA höchstwahrscheinlich nicht. Jedenfalls nicht in einer Form, die immerhin so gediehen ist, dass sie es zulässt, dass er gleich neun Vorstandsmitglieder hat. Wer angesichts dieser schieren Masse an Partei­gremien der ehemaligen ­Sowjetunion erinnert wird, der liegt ­sicher nicht ganz so falsch.

Seit dem 17. November darf man auch noch fragen, was die Damen und Herren des PRVA-Vorstandes ­eigentlich den ganzen Tag so ­unglaublich Wichtiges zu tun haben. Es muss etwas sein, das so essenziell für das Fortbestehen der Öffentlichkeitsarbeit in ­Österreich und das so zeitaufwendig ist, dass es keine ­Nebenbeschäftigung zulässt. Anders ist es nämlich nur schwer zu erklären, dass keines der neun Vorstandsmitglieder den ­Anstand hatte, dem ­Begräbnis des PRVA-Mitgründers beizuwohnen.
Ich bin über dieses so unsensible Verhalten tief verstört und es tut mir leid für Hermann Michelitsch, der sich eine solche Respektlosigkeit nicht verdient hat. Und ich stelle mir die Frage, wie es zu einer solchen Entgleisung kommen kann. Die Damen und Herren Kommunikatoren und PR-Profis müssten ihm doch dankbar sein. Er war der Wegbereiter. Was bringt Menschen dazu, einen anderen, der in ihrer Branche schon wesentlich war, als man von ihnen noch lange nichts wusste, einfach zu missachten? Zu missachten, indem sie ihn einfach vergessen.

In welcher Welt leben wir, die eine Truppe von „Ichlingen“ nach oben spült, denen es ausschließlich um sich geht – die vergessen, woher sie kommen und wer vor ihnen war? Nun, ich habe darauf keine Antwort gefunden. Ich bin schlicht und einfach fassungslos ob dieses Ausmaßes an ­Gesichtslosigkeit.
Aber vielleicht fällt dem Vorstand des PRVA ja irgendeine Erklärung ein. Ich kann mir allerdings keine vorstellen, die glaubhaft macht, warum sich niemand am Matzleinsdorfer Friedhof einfand, um Hermann Michelitsch die letzte Ehre zu erweisen. Um ein letztes Mal „Danke“ zu sagen für alles, was er in seinem langen Berufsleben für die Öffentlichkeitsarbeit in Österreich getan hat. Für alles, was er – auch und vor allem ihnen – ermöglicht hat.

Aber wahrscheinlich gehören solche simplen Formen des Anstandes nicht mehr zur Grundausstattung jener, die sich gerne mit Titeln und Funktionen schmücken. Ein anderer Public-Relations-Fachmann, der ehemalige Pressesprecher der Düsseldorfer Messe und Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, Asfa Wossen Asserate, schrieb im Jahr 2003 einen Bestseller, der trotz seines Alters den Mitgliedern des Vorstandes des PRVA als Weihnachts-Urlaubslektüre zu empfehlen ist. Der Titel: Manieren. Auf wienerisch heißt das „g’hört sich“. Der „Hermann“ hätte es noch gewusst. Das musste einmal gesagt werden.

[Hans-Jörgen Manstein] 
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