Neos: Die pinkfarbene Revolution
 

Neos: Die pinkfarbene Revolution

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Politische Parteienwerbung. Die Ziele von Neos sind klar gesteckt: In den letzten drei Wochen vor der Nationalratswahl sollen noch weitere 250.000 Menschen erreicht werden

Zu Besuch in der Neosphäre, dem Headquarter von Matthias Strolz und seinem Team. Mitten in dem großräumigen Loft steht ein Tischfußballtisch, um den momentan aber ein großer ­Bogen gemacht wird. Zu viel zu tun. Beispielsweise die ganze Nacht lang durch Wiens Straßen laufen und ­Dreiecksständer platzieren. Dass sie auch mit dabei war, sieht man Wahlkampfleiterin Grace Pardy nicht an. Was naheliegt: die Frage nach der Herkunft. „Ich bin waschechte Wienerin“, lacht Pardy und erklärt, dass ihre Eltern sich schlichtweg auf keinen Namen hätten einigen können, deshalb ist der kanadische Onkel eingeschritten – deshalb Grace. Die begeisterte Europäerin liebt Herausforderungen, Menschen und Veränderung und ist bei Neos für die strategische und operative Umsetzung des Wahlkampfes zuständig. Ein ganz neues Berufsfeld für sie. „Ich bin  im November 2012 aus Schweden zurück, dort war nämlich mein letzter Job, ich war Chief Marketing Officer bei ­einem Unternehmen. Bin aus familiären Gründen zurück nach Österreich und über einen Freund, Veit Dengler (Mitbegründer Neos und ab Oktober CEO der NZZ Mediengruppe, Anm.), auf Neos gestoßen.“ Das meint, sie hat an einem sogenannten Neos-at-home-Abend, den die Partei selbst als Erfolgsformat bezeichnet, teilgenommen.

Das lustvolle Debattieren über Politik, das man früher gerne in Österreich betrieben hat, soll durch diese Treffen wieder an Glanz gewinnen. Weil Pardy  sehr viel im Ausland gelebt und ein ­großes politisches Bewusstsein hat, leide sie wie viele andere auch unter der hiesigen Situation. Das Treffen mit Neos hat sie beeindruckt. „Eine ganz andere Positionierung, ganz andere Menschen, die sich hier für Politik ­einsetzen“, das hat mich enorm angesprochen. Schließlich erhielt sie das Angebot, die Wahlkampfleitung zu übernehmen. „Matthias Strolz hat mir da großes Vertrauen geschenkt. Ich bin ja erst im April an Bord gekommen und musste dann die Dachmarke Neos ­positionieren, eine riesige Heraus­forderung und spannende Aufgabe. Anders als bei meinem alten Job, löse ich nun gesellschaftspolitischen Impact aus, das ist toll.“ Seit Anfang ­September ist auch der langjährige Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner für die Partei aktiv.

Drei Säulen zum Erfolg

Viele Dinge würden hier anders gemacht. Aber was genau? „Wir haben drei Erfolgssäulen, Mobilisierung ist eine davon.“ So habe man das Strukturnetz innerhalb kürzester Zeit mit Landesorganisationen aufgestockt und sei dementsprechend erfolgreich durch Vorwahlen gegangen. „Wir leben ­Demokratie ernsthaft und glaubhaft.“ ­Mobilisieren meine auch, ganz nah bei den Menschen zu sein, „sie zu spüren und zu sehen, wo ihre Frustpotenziale liegen“. Die zweite Neos-Erfolgssäule ist Kreativität. „Beispielsweise machen wir eine Pink-Revolution-Tour durch alle Bundesländer, wo junge Teams ­unterwegs sind und mit Menschen ins Gespräch kommen – und das mit einem Mini-Budget.“ Auch sonst kann sich der pinkfarbene Wahlkampf samt Slogans und Ideenreichtum sehen lassen. Durch Kreativität entstand auch die dritte Erfolgssäule: „Wir haben Crowdfunding erstmals in Österreich wirklich etabliert. Keine andere Partei hat diesbezüglich etwas gemacht. Uns wurde immer gesagt, dass das nicht geht.“ Geht aber doch. Die Marke Neos positioniert sich also glaubhaft, relevant und authentisch. „Das sind Dinge, die wir verkörpern.“ Die Neos-Zielgruppe sind vor ­allem die Jungen, wobei das nicht ­demografisch begrenzt sei. „‚Young-spirited‘ passt besser“, so Pardy. Das seien Menschen, die von keiner an­deren Partei wirklich ernsthaft ange­sprochen werden. „Man sieht auch, wie jetzt Parteien, die ursprünglich eine andere Positionierung hatten, unsere Ideen mitnehmen, weil sie eben funktionieren.“

Es muss etwas weitergehen

Die Pinkfarbenen seien deshalb glaubwürdig, weil sie selbst dem Altersschnitt der Zielgruppe entsprechen. „Uns geht es darum, dass bei der ­Bildungsfrage etwas weitergeht. Wenn 25 Prozent der jungen Österreicher nicht richtig lesen können, haben wir ein Zukunftsproblem“, sagt Pardy. Auch was die Pensionen betrifft, zeige man sich sehr direkt. „Wir sprechen Dinge an, die bisher nicht angesprochen wurden, und möchten diesem massiven Reformstau ein Ende setzen. Man kann weder ein Unternehmen noch eine ­Familie über 33 Klausuren führen. Das kann sich kein Bürger erlauben – und auch keine Gesellschaft. Die Politik kann es, und das ist das, was mich – und viele andere – zutiefst nervt.“

Werbung in Pink

Die Neos-Wahlwerbung sei eine Teamarbeit aus Mitgliedern, Agenturen und Sympathisanten, die aufgrund ihrer Profession das Geschäft kennen, beispielsweise der Texter Christoph Angerer. Zudem arbeite man mit den Werbern Christian Bergbauer und Gerhard Puttner. „Die Menschen und Agenturen gehen teilweise mit uns ins Risiko. Sie machen das, weil sie es wichtig finden – für Österreich“, so Pardy. Social Media sind einer der Hauptkommunikationskanäle für Neos. „Das war von Anfang an strategisch so geplant und wird vom Team selbst bespielt. Wir agieren da extrem schnell, bereiten den Content schon vor“, so Pardy.

In den letzten drei Wahlkampf­wochen sollen noch 250.000 Menschen erreicht werden. „Es wird eine Tour geben, und den digitalen Bereich bespielen wir wie bisher, da sind wir sehr gut.“ Rund 3.500 Plakatständer werden in Österreich aufgestellt, Printinserate ­geschaltet, und in der letzen Woche vor der Wahl soll es einen TV-Spot geben.  Die Message: Stillstand raus, Neos rein.
Wo Neos jedenfalls nicht reinkommt, ist beim ORF. Der schließt die Partei bei Wahlfkonfrontationen aus, und das Festhalten am Status quo ärgert. Das sei einem beitragsfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht würdig, es sei eine Verletzung des Gebots der ­Objektivität und Gleichbehandlung. Das proklamieren Neos über ihren ­Facebook-Kanal. „Butzvarukt“, heißt es da in einem Beitrag. 2.000 der 31.000 Neos-Fans finden das gut.

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