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Merlicek & Grossebner diskutieren über Online-Kampagnen und Markenstrategien

Elfie Semotan

Eine Geschäftsführung, fünf Meinungen: Teil 2 des Round Tables mit den Masterminds von Merlicek & Grossebner.

Dies ist Teil 2 des Round Tables. Lesen Sie den ersten Teil unter diesem Link.

Der gesamte Artikel ist bereits in der Ausgabe HORIZONT Nr. 29-30 erschienen.

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HORIZONT: Werden die Werbespendings künftig verstärkt in die digitalen Kanäle fließen?

NEWRKLA: In Österreich hinken wir Digital nach, mit einem Anteil von zehn Prozent. In dem UK liegt er bei 24 Prozent. Der Unterschied ist enorm. Wenn wir mal bei 20 Prozent sind, ist man dort vielleicht schon bei 40. Das Print-/Online-Verhältnis in den USA hat sich bereits gedreht. Die Printanzeigen sind dort auf ein Drittel geschrumpft, Online ist dreifach gewachsen. Der österreichische Weg geht klar in Richtung Digital. Obwohl: Print ist bei uns immer noch eine vergleichsweise heile Welt.

GROSSEBNER: Man muss sich nur anschauen, was auf der Welt passiert – fünf Jahre später ist es dann bei uns soweit.

NEWRKLA: Gustav Mahler hat angeblich einmal gesagt: wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles achtzig Jahre später.

HAIDER-MERLICEK: Dafür verschlafen wir so aber auch die Wirtschaftskrisen.

Kann man in Österreich denn auch eine Markenstrategie rein auf Social Media aufbauen oder bedarf es immer noch der Massenkommunikation über TV oder Print, während Social Media eine Kampagne nur ergänzt?

GROSSEBNER: Ich wüsste keine Marke in Österreich, bei der sich eine reine Social-Media-Kampagne auszahlen würde, außer es ist eine sehr kleine Marke mit sehr spitzer Zielgruppe.

NEWRKLA: Oder eine Marke, die schon sehr bekannt ist.

MERLICEK: Oder es ist etwas sehr Spezielles.

HAIDER-MERLICEK: Oder für ein sehr junges Zielpublikum. Viele der Z-Generation haben keinen Fernseher, Lukas, du doch auch nicht.

GROSSEBNER: Ich weiß aber nicht, ob es Sinn machen würde, eine Modemarke zu gründen und diese dann nur über Instagram zu bewerben, zumindest nicht für eine Werbeagentur-relevante Marke.

HAIDER-MERLICEK: Und es gibt einen großen Irrtum, was die Kosteneffizienz betrifft. Denn Filme für YouTube zu produzieren ist ja auch nicht billiger als für TV.

NEWRKLA: In Schweden gibt es schon die ersten Kreuzungen, wo Gelb, Rot und Grün auf die Straße projiziert wird, damit die Leute die Ampel sehen, während sie nur nach unten in ihr Handy schauen. Wenn wir schon so weit sind, kann ich mir genauso gut die Frage stellen: Kann man da mit Plakat noch Werbung machen, schaut noch wer hin? Wir brauchen den richtigen Mix.

MAYER: Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, mit der Marke in Kontakt zu treten. Es muss einen Punkt geben, wo die Fäden zusammenlaufen, damit die Marke nicht zerfleddert.

HAIDER-MERLICEK: Und es darf nicht automatisiert sein. Wenn ich heute von einem Handelsunternehmen einen Brief bekomme, der mich mit „Herr Rosa Haider, der Rasierschaum ist in Aktion“ anspricht, denke ich mir: Dafür sterben Bäume? Und jetzt muss ich mir einen Rasierschaum kaufen? Dann ärgere ich mich.

MERLICEK: Naja, du bist besonders empfindlich.

Um wieder auf Marken zurück­zukommen: Kann man zum Beispiel Shitstorms für eine Marke nutzen?

GROSSEBNER: easyJet hat das gut gemacht mit dem Plakat „Inländer raus“. Und jene, die das falsch verstanden haben, würde ich nicht unbedingt als Zielgruppe für Fernreisen bezeichnen. Wenn man aber schon 30 Kampagnen gemacht hat, bekommt man ein Gefühl dafür.

NEWRKLA: Franz, du kannst dich sicher erinnern, als wir in unserer früheren Agentur Mitarbeiter gesucht haben. Diese waren in Österreich schwer zu finden und die Anzeige hieß „Ausländer rein“. Die Kampagne war damals schon provokant, aber es gab noch keine Social Media.

HAIDER-MERLICEK: Ich spiele jetzt gerne die Altmodische. Ich würde gerne Shitstorms der Marken, die wir betreuen, vermeiden. Und ich glaube, wir kommen gut ohne aus.

Hatten Sie noch nie mit Shitstorms zu tun?

GROSSEBNER: Ich habe einmal einen großen Kunden beknien müssen, ein bestimmtes Sujet nicht zu schalten, aber er wollte unbedingt. Eine Woche später mussten wir die Kampagne off air nehmen. Da ging es um eine Wurstsemmel.

NEWRKLA: Aber dass man diesen Skandal als Mittel für eine Marke einsetzt, würde ich nicht ablehnen.

HAIDER-MERLICEK: Als ich am Anfang noch Fehler bei Kampagnen gemacht habe, gab es noch keine Social Media, sondern einen strengen Brief vom Werberat.

Aus gegebenem Anlass: Sind Sie als Agentur in den Nationalratswahlkampf involviert oder würden Sie politische Kampagnen interessieren?

HAIDER-MERLICEK: Wir haben an einer Präsentation teilgenommen und im Vorfeld mitgearbeitet, sind im Endeffekt aber nicht mit der Partei zusammengekommen. Wir haben hier schon Erfahrung gesammelt und konnten uns bei politischer Werbung gut einbringen.

Welche Partei wäre es gewesen?

GROSSEBNER: Das möchten wir nicht sagen.

MERLICEK: Wir hätten uns auch fast bei der Bundespräsidentenwahl engagiert.

GROSSEBNER: Aus ideologischen Gründen haben wir es aber nicht gemacht.

MERLICEK: Wir sind – unter uns – auf keinen grünen Zweig gekommen.

NEWRKLA: Wenn wir für eine politische Partei werben, müssen alle von uns dahinterstehen.

GROSSEBNER: Aber bei einem sind wir uns sicher: Wir können nicht gut „statt“-Reime machen.

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