Andreas Kovar, Public Affairs Agentur Kovar & Köppl, begleitet das kommende Lobby-Gesetz mit einem Empfehlungspapier für Unternehmen und einem Spezialseminar am 23. November.
Andreas Kovar: Zur Gesetzesmaterie selbst kann ich gar nicht oft genug sagen: Das Gesetz hat mit Korruption nichts zu tun! Die trotzdem immer wieder aufgestellte Behauptung, das LobbyG sei ein Mittel zur Korruptionsbekämpfung, ist falsch. So falsch, wie die Behauptung, dass es in den USA eine übermäßige Korruption und eine ausgeprägte Antikorruptionsgesetzgebung gibt, weil von Unternehmen und Zivilgesellschaft sehr viel für Interessenvertretung ausgegeben wird. Dass es in den USA eine starke Beteiligung gibt, hat damit zu tun, dass das Land eine lebendige Demokratie ist. Es gibt einen hochentwickelten transparenten demokratischen Prozess bei der Gesetzesformulierung, an dem unterschiedliche Interessenvertreter teilnehmen und bei dem auch wirtschaftliche Interessen vertreten werden können. Dass es gleichzeitig strenge Anti-Korruptionsbestimmungen gibt, ist auch ein Ausweis für das Funktionieren der Demokratie. Insgesamt sind die USA ja nicht als übermäßig korrupt bekannt. Sie liegen im Vergleich mit den meisten westlichen EU-Staaten gleichauf. Hier in Österreich sind gerade Lobbyisten an einer Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen interessiert und wollen Spielregeln, um den Gesetzwerdungsprozess so transparent wie möglich zu gestalten. Das hat also nichts mit Anti-Korruption zu tun, sondern mit Partizipation und auch einer verbesserten Gewaltenteilung. Das sind die eigentlichen Gründe. Es geht hier in Österreich auch darum, dem dominanten Einfluss der politischen Parteien und ihrer Vorfeldorganisationen im Gesetzwerdungsprozess etwas entgegenzusetzen. Oder anders herum: alle Lobbyisten sollen Chancengleichheit haben, ihre Anliegen einbringen zu können. Das ist das Szenario, das bei allen Transparenzinitiativen in Europa und beim LobbyG eigentlich Pate steht. Wir diskutieren zum Beispiel im Rahmen der ALPAC seit über fünf Jahren mit den Parlamentsklubs, dass solche Gesetze kommen mögen (ALPAC – www.alpac.at – steht für Austrian Lobbying & Public Affairs Council und wurde 2004 als Plattform für alle politikbezogenen Beratungsdienstleistungen gegründet, Anm.). Bisher hinken wir aber in Sachen Transparenz und faire Partizipation Brüssel, der Schweiz und den nordischen Staaten hinterher.
HORIZONT: Wie sieht das österreichische LobbyG im Vergleich zu Regelungen in anderen Ländern aus?Kovar: In Österreich hat Interessenvertretung – also Lobbying – bisher schon nicht im rechtsfreien Raum stattgefunden. Das ist übrigens auch in allen anderen Ländern westlicher Prägung so. Interessenvertretung ist in jedem Land geregelt. Allein schon durch die Frage, ob es das Recht dazu gibt – das steht im Übrigen in Österreich im Staatsgrundgesetz. Da ist das Recht auf Petitionen verankert. Es gibt dazu bei uns noch eine ganze Reihe von Gesetzesnormen, die für Interessenvertreter und Berater von Belang sind. Danach ist auch die Compliance Richtlinie von Kovar & Köppl ausgerichtet. Konkret sind das Regelungen aus dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch zum Umgang mit Geschäftsgeheimnissen und Haftungen, dem Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb, dem Strafgesetzbuch mit den Anti-Korruptionsregelungen sowie Regelungen zum Datenschutz- und zur Datensicherheit, Bestimmungen zum Schutz vor Insiderhandel und so weiter. Das ist eine ganze Latte von Verhaltensregeln, die die Tätigkeit von Interessenvertretern und Beratern bereits jetzt bestimmt – unsere Mitarbeiter müssen sie nicht nur kennen, sondern auch einhalten.
HORIZONT: Da könnte das LobbyG doch auch ein Stück weit Klarheit bringen?Kovar: Die Ansprüche an Interessenvertreter, Berater und Lobbyisten steigen. Damit stellt die Gesellschaft höhere Ansprüche und setzt Normen. Aus Zugangsbestimmungen zu nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament sowie Kodizes von Berufsverbänden haben sich Register für Lobbyisten und verbindliche Verhaltensregeln entwickelt. Der Deutsche Bundestag hat seit 1971 ein Register für Zutrittsberechtigungen. Da können sich aber beispielsweise nur Dachverbände eintragen. Beim Europäischen Parlament genügt wiederum der Nachweis eines berechtigten Interesses und mit dem Erhalt des Ausweises ist die Zustimmung zu einer Art Hausordnung verbunden. Da stehen Verpflichtungen drin wie nicht zu lügen oder auch keine Mitarbeiter von Parlamentariern zu beschäftigen. So haben sich, sehr verkürzt, über Zugangsbestimmungen Verhaltensregeln entwickelt. Schließlich hatten wir die Initiative des damaligen estnischen Kommissars für Verwaltung, Audit und Betrugsbekämpfung, Siim Kallas: Der hat 2006 die Transparenzinitiative auf den Weg gebracht. Die Intention dahinter: Auf dem Weg der Gesetzeswerdung müssen alle Dokumente offengelegt werden und alle Organisation, die sich daran beteiligen, müssen sich registrieren lassen. In Frankreich wurde eine „Footprint-Regelung“ geschaffen – wo in den Gesetzestexten sozusagen als Fußnote angemerkt ist, von wem die jeweilige Passage stammt. Auf diesem Weg der Weiterentwicklung der Gesetzgebung und der Regulierung der Interessenvertretung markiert das LobbyG für Österreich eine Art Wendepunkt. Nicht weil das Gesetz selbst so viel verändert – aber spätestens jetzt muss auch in Österreich jeder merken, dass sich die Ansprüche geändert haben. Es ist relevant, wie man sich tatsächlich verhält. Ein Kodex kann kein reines Lippenbekenntnis mehr sein. Kodizes müssen mit einem Compliance Management unterfüttert sein. Mit dem Lobbying-Gesetz haben wir plötzlich verpflichtende Regeln, die verwaltungsrechtlich bewehrt sind. Gleichzeitig haben wir die Situation, dass viele die auf Seiten von Unternehmen, noch mehr auf Seiten von Dienstleistern, in diesem Bereich tätig sind, nicht wissen, mit welchen rechtlichen Rahmenbedingungen sie es zu tun haben. Compliance – also die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien durch Unternehmen – wird ein Thema werden. Neben diesen gesellschaftlichen und rechtlichen Ansprüchen an die Interessenvertreter nehmen auch die Anforderungen an die Performance zu. Mittlerweile hat sich in vielen Unternehmen die Unternehmensfunktion des Public Affairs Verantwortlichen etabliert. Es reicht einfach nicht mehr, „Frühstücksdirektor“ oder simpler Networker zu sein. Diese Professionalisierung hat einen ganz simplen Hintergrund: Vorstände wollen ganz konkrete Ergebnisse sehen.
HORIZONT: Können wir das einmal auseinandernehmen – was ist Public Affairs, was ist Lobbying – da gibt´s doch eine Unterscheidung?
Kovar: Public Affairs sind die Außenpolitik eines Unternehmens, eines Vereins oder einer Körperschaft. Das ist vielleicht nur einfaches Beobachten, Sammeln und Auswerten von Informationen aus dem politischen Bereich – also ein Themenradar. Durchaus vergleichbar mit journalistischer Tätigkeit. Denken Sie an Themen wie Compliance – daraus entwickelte sich Compliance Management in Unternehmen als eigene Funktion (Kovar & Köppl hat bereits 2007
eine eigene Compliance Richtlinie auf 53 (!) Seiten ausformuliert, die gemäß dem Tätigkeitsbereich der Agentur in Österreich, Deutschland und in EU-Brüssel den gesetzlichen Vorgaben der beiden Länder und der „Vereinbarung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission über ein Transparenzregister und Verhaltenskodex zum Transparenzregister“ folgt, Anm.). Oder CSR, soziale Verantwortung – der Gesetzgeber, die politische Öffentlichkeit verlangt von Unternehmen nicht nur, dass nachhaltige Produkte und Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern auch Umweltschutz, Gleichbehandlung und so fort. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Definitionen, in etwa lässt sich Public Affairs definieren mit systematischer Gestaltung der Beziehungen zum politischen und gesellschaftlichen Umfeld.
HORIZONT: Und Lobbying…Kovar: Lobbying ist die Einflussnahme auf konkrete Entscheidungen. Das muss nicht immer der Entscheidungsfindungsprozess in der Gesetzgebung sein. Es kann auch um eine Entscheidung in einem Unternehmen gehen oder bedeuten, die Gewerkschaft von einem Vorhaben abzubringen.
HORIZONT: Das ab 1. Jänner geltende LobbyG bezieht sich ausschließlich auf den Einfluss von Organisationen auf den politischen, legistischen - also gesetzgebenden Entscheidungsprozess und die Verwaltung.Kovar: Richtig. Um Lobbying handelt es sich bereits, wenn eine Einzelperson im persönlichen, individuellen Interesse Einfluss auf eine Entscheidung nimmt. Lobbying ist es natürlich, wenn beispielsweise eine öffentliche Körperschaft oder eine Kirche Einfluss nimmt. Der Gesetzgeber hat aber zwischen Lobbying allgemein und Lobbying im Sinne des Gesetzes unterschieden. Daher all die Ausnahmen, auch um das Petitionsrecht nicht auszuhebeln. Auch die Ausnahme der politischen Parteien bezieht sich darauf oder die Sanktionsfreiheit für Verbände. Im LobbyG steht unter den allgemeinen Verhaltensregeln „keinen unzulässigen Druck ausüben“. Bei Gewerkschaften, die Verhandlungen führen, ebenso wie bei politischen Parteien, ist der Aufbau politischen Drucks per se Aufgabe . Weil man im Gesetz Lobbying so breit definiert hat, hat man so viele Ausnahmen gebraucht.
HORIZONT: Eine andere Pointe aus dem Entwurf sind die fünf- beziehungsweise 50-Prozent „Lobbyismus-Anteile“ an der Arbeitszeit?Kovar: Das Gesetz ist in der Praxis nicht leicht zu handhaben. Erst wenn es bei einer Interessenvertretung oder einem Verein einen Mitarbeiter gibt, der mehr als 50 Prozent seiner Arbeitszeit mit Lobbying zubringt, besteht für die Organisation eine Registrierungspflicht. Das wird selten der Fall sein. Wenn sich Vereine aber sicherheitshalber oder aus Prestigegründen eintragen, kann sie das theoretisch mit dem Bundesgesetz gegen Unlauteren Wettbewerb in Konflikt bringen.
HORIZONT: Das gilt analog auch für die 5-Prozent-Schwelle für Unternehmenslobbyisten – beziehungsweise: Worauf beziehen sich die fünf Prozent: Eine 40-Stunden-Woche?Kovar: Auch bei der Fünf-Prozent Hürde ist von außen nicht so einfach zu erkennen, ob sie überschritten wird. Das könnte so ablaufen: Jemand wird vorgehalten, dass er mehr als fünf Prozent seiner Arbeitszeit für ein Unternehmen für Lobbying nutzt – aber vom Unternehmen nicht ins Register eingetragen wurde. Wenn das dem Justizministerium zur Kenntnis gebracht wird, würde das Ministerium beim Unternehmen nachfragen. Sehr oft wird man dem Ministerium antworten, dass auch Vorstände und Mitarbeiter der Public Affairs Abteilung weniger als zwei Stunden pro Woche mit Politikern und Beamten in direktem Kontakt stehen und viele dieser Kontakte nicht vom LobbyG erfasst sind, weil es Kontakte innerhalb von Verwaltungsverfahren oder Zufallskontakte sind.
HORIZONT: Kovar & Köppl bietet dazu konkrete Seminare und Schulungen an?Kovar: Das ist ein Programm, das wir seit sieben Jahren mit der Hochschule Quadriga in Berlin, Düsseldorf, München und neuerdings in Wien anbieten: Ein Seminarprogramm, das sich in Deutschland bereits sehr bewährt hat, das wir inhaltlich stetig weiterentwickeln und das wir mit unseren Erfahrungen aus der Praxis den neuesten Entwicklungen anpassen. In Wien steht natürlich das LobbyG nach dem Motto „How to do Lobbying“ für Unternehmen und Vereine (Termin am 23. November 2012, Info unter
www.publicaffairs.cc; Anm.) im Fokus.
HORIZONT: Kovar & Köppl hat ein 13-seitiges Papier verfasst: „Empfehlungen des Public Affairs Managements zur Umsetzung des österreichischen Lobbying-Gesetzes in Unternehmen und Vereinen“…Kovar: Wir schreiben regelmäßig politische Analysen zu Public Affairs Themen, die für unsere Kunden relevant sind. Vor einiger Zeit beispielsweise zum Parteienfinanzierungsgesetz oder zum Strafrechtsänderungsgesetz. Auch nach jeder Wahl analysieren wir gemeinsam mit unserem Schwesterunternehmen Peter Hajek Public Opinion Strategies, was das Ergebnis für Interessenvertretung und politische Vorhaben bedeutet.
HORIZONT: Wie viele Public Affairs Beauftragte gibt es denn schätzungsweise in österreichischen Unternehmen – und wie viele Lobbyisten?Kovar: Das ist ein sehr kleiner Markt. Wenn ich alle Personen zusammenzähle, die in Unternehmen und Verbänden Public Affairs machen, dann sind das jeweils 500 bis 1000 und weitere 1000 bis 2000 in den Kammern. Das sind also 2000 bis 4000 Menschen, die Interessenvertretung machen – und das nicht einmal als Full-time-Job. Explizit Public Affairs als Job Description haben vielleicht rund 1000 Personen. Das heißt aber nicht, dass diese registrierungspflichtig sein werden. Hier handelt es sich etwa um CSR-Verantwortliche, Zuständige für Sponsoring im Sozialbereich oder für Verhandlungen mit dem Regulator bzw. Experten für Europarecht und somit Lobbying in Brüssel. In Vereinen gibt es noch einmal rund 1000 Personen, die Lobbying machen. Bei Vereinen, glaube ich, wird man aufgrund der 50-Prozent Anteilsforderung – das Stichwort lautet „überwiegend“ – wohl kaum jemanden finden, der registrierungspflichtig ist. Bei Unternehmen – da gilt die 5-Prozent Grenze – werden aus den 1.000 größten Unternehmen, soweit sie Public Affairs Verantwortliche haben und diese Lobbying betreiben, wohl etwa ein- bis zweitausend Personen eingetragen werden.
HORIZONT: Und Dienstleister, also Berater?Kovar: Ganz schwer zu schätzen, selbst auf Bundesebene. Da gibt es vielleicht ein Dutzend spezialisierte Beratungsunternehmen, vermutlich ebenso viele Rechtsanwaltskanzleien und PR-Agenturen, die zumindest eine Unit Lobbying haben. Nach dieser Definition würde ich schätzen, dass es in Österreich nicht mehr als 100 gewerbliche Dienstleister gibt, die Lobbying auf Bundesebene anbieten. Dazu vielleicht noch einmal 100 Rechtsanwälte. Wobei anzumerken ist, dass laut Gesetz auch all jene registrierungspflichtig sind, die Lobbying als Dienstleistung anbieten.
HORIZONT: Es gibt ja mittlerweile zwei Vereine – ALPAC und ÖPAV – die sich der Belange der Dienstleister annehmen…Kovar: Public Affairs Berater haben keine spezielle Vertretung in der Wirtschaftskammer, deshalb haben wir 2004 ALPAC als Berufsverband der Politikberater gegründet. Bei ALPAC können nur die Eigentümer von Beratungsunternehmen Mitglied werden. ALPAC ist also sozusagen der Gewerbeverein der Public Affairs Berater für die berufsständischen Interessen. ÖPAV ist der Verein, der sich mit Public Affairs im Allgemeinen beschäftigt – Positionierung, Weiterentwicklung bis hin zu wissenschaftlichen Tätigkeiten. Mitglied bei der ÖPAV können Mitarbeiter von Kammern, Gewerkschaften, Interessenvertretungen, Unternehmen, externe Berater sowie Agenturen und deren Mitarbeiter sein, auch Politikwissenschaftler (siehe
www.alpac.at und
www.oepav.at; Anm.).
HORIZONT: Alles in allem - ist das Lobbygesetz jetzt ein sinnvolles Gesetz oder nicht?Kovar: Sinn macht das LobbyG meines Erachtens erst dann, wenn die Gesetzgebung transparenter wird – wenn die politischen Entscheidungen transparenter und nachvollziehbarer werden. Gutes aktuelles Beispiel: Familienrecht. Hier wird hinter verschlossenen Türen ein Gesetz erarbeitet, mit kurzer Frist in Begutachtung geschickt und es gibt im Vorfeld keinen breiten Diskurs darüber, obwohl Familienrecht buchstäblich jeden betrifft.