Medienanalyse: Die Zukunft der Branche
 

Medienanalyse: Die Zukunft der Branche

Meta Fotostudio Weinwurm

Judith Schinnerl, Geschäftsführerin des Markt- und Medienbeobachters Meta Communication International, über eine Branche im Wandel, Medienbeobachtung zur internen Kommunikation und welche Aufträge sie keinesfalls annehmen würde.

Dieses Interview ist zuerst in Ausgabe Nr. 3/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

Horizont: Print ist unter Druck, der TV-Markt wird fragmentierter, Social Media boomt – kann man sagen, dass Medienbeobachtung heute etwas völlig Anderes ist als noch vor wenigen Jahren?

Judith Schinnerl: Das kann man auf jeden Fall sagen. Vor 20 Jahren, als wir gestartet sind, bestand Medienbeobachtung hauptsächlich aus dem Prüfen von Printinhalten. Damals gab es das klassische Artikelservice, den Clipping-Dienst, über die hauptsächlich das Management oder die Pressestellen mit Artikeln versorgt wurden. Dann ging es in die Richtung, Medienbeobachtung nicht nur als Kontrolle für die eigene Medienarbeit zu nutzen, sondern auch zur Information für Mitarbeiter. Dann begann man auch, über den Tellerrand zu schauen – quasi die Entwicklung vom Pressespiegel zum Branchenspiegel.

Und heute?

Heute geht es um sehr viel mehr – etwa darum, Mitarbeitern wirklich Überblicke über Entwicklungen, Branchen und Tendenzen zugänglich zu machen. Für uns hat das mit der Finanzkrise 2008 begonnen und eine Revolution in der Medienbeobachtung ausgelöst. Damals wollten vor allem Banken, dass ihre Mitarbeiter Bescheid wussten, was täglich Thema in den Medien war – bevor sie sich dann am Vormittag ängstlichen Kunden stellen mussten, die in Sorge um ihre Spareinlagen an den Schaltern standen. Heute ist es so, dass wir nicht nur beobachten und zur Verfügungstellen, sondern uns bemühen , aus der Beobachtung Schlüsse zu ziehen, Trends und Entwicklungen vorauszusehen. Heute machen wir nicht mehr einfach Medienbeobachtung, sondern komprimierte Information und Resonanzanalyse.

Die Zeitungen durchblättern und Artikel daraus kopieren gibt es so also nicht mehr?

Wir haben – sehr oft mit unseren Kunden gemeinsam – inzwischen eigene Tools entwickelt, mit denen die Medien gescreent werden. Das ist längst alles digitalisiert und geht so weit, dass die Kunden Meldungen auch kommentieren, ihren Mitarbeitern Empfehlungen geben können. Medienbeobachtung hat sich auf diese Weise längst zu einer wirklich umfassenden Mitarbeiterinformation gewandelt.

Und was kommt als nächstes?

Es wird für Unternehmen immer wichtiger, Mitarbeiter durch entsprechend aufbereitete Informationen ans Unternehmen zu binden. Da können wir mit unseren Dienstleistungen ein passendes Instrument liefern, das seit einigen Jahren immer stärker nachgefragt wird. Früher haben sich die Abteilungen für Kommunikation mit der Medienbeobachtung ihren Vorständen gegenüber bewiesen, heute beweisen sich die Unternehmen ihren Mitarbeitern gegenüber.

Das klingt ein wenig nach dem Filtern von Information.

Überhaupt nicht. Bei dem, was wir liefern, ist auch viel Kritisches enthalten, das gehört dazu. Wir sind kein Instrument unserer Kunden und geben neutral wieder, was in den Medien steht.

Wie sieht es mit der Nachfrage nach der Beobachtung von Mitbewerbern aus?

Das ist ein Teil dessen, was wir tun. Wir registrieren zunehmend Nachfrage von Unternehmen, die sich einen Markteintritt in Österreich überlegen und sich mit unserer Hilfe einen Überblick verschaffen wollen. Da sind wir ein gefragter, diskreter Partner.

Welche Unternehmen suchen denn derzeit den Markteintritt in Österreich?

Wir haben viele Anfragen aus Westeuropa und den USA. Wir arbeiten aber oft mit internationalen Partnern vor Ort zusammen, zum Beispiel in China – da liefern wir dann zu und wissen gar nicht, an wen unsere Analysen letzten Endes gehen.

Gibt es seit der Brexit-Diskussion vermehrtes Interesse aus Großbritannien?

Das hat uns tatsächlich beschäftigt, als es mit dem Brexit los ging. Wir merken das Thema auch bei unseren Bestandskunden, die in Großbritannien Niederlassungen haben. Auch, als die Probleme mit der Türkei begannen, haben wir das gemerkt.

Wie sieht eigentlich die Branche der Medienbeobachter in Österreich aus?

Es gibt, uns eingeschlossen, vier große und eine Vielzahl sehr kleiner Medienbeobachter. Die Großen sind neben uns der Observer, clip.at und die APA. Aber die Wettbewerber werden langsam weniger. Einerseits durch Fusionen, andererseits weil viele Kleine wegfallen, wenn nicht mehr an die nächste Generation übergeben wird. Dieses klassische Clippingservice, wo jemand sitzt, Tausende Stichworte im Kopf hat und die Zeitungen durchblättert, wird ebenfalls immer seltener. Bei uns zum Beispiel gibt es das überhaupt nicht, da sucht ein stichwortbasierter Algorithmus.

Wie viele Menschen sind in der Branche in Österreich beschäftigt?

Das ist gar nicht so leicht zu sagen, aber ich würde meinen: ungefähr tausend.

Sie können sich theoretisch alles ansehen, bis hin zum Darknet.

Gibt es keine ernst zu nehmende ausländische Konkurrenz?

Natürlich steht der ausländische Mitbewerb seit Jahren vor der Tür, bis jetzt hat er aber nicht so richtig einen Fuß ins Land gebracht. Das kommt wohl auch daher, dass Österreich sehr speziell tickt und Regionalität bei uns eine Rolle spielt. Es ist für einen Neueinsteiger ein ziemlicher Aufwand, sich die sehr breit aufgestellte Medienlandschaft anzutun. Die Sprache ist auch ein Thema. Durch den Markteintritt der APA ist außerdem der Kostendruck in Österreich gewaltig gestiegen.

Stichwort APA: Viele Ihrer Kunden sind vermutlich PR-Agenturen oder werden über PR-Agenturen vermittelt. Ist es da ein Problem, dass die neue Präsidentin des PR-Verbandes eine Angestellte der APA und dort ins Thema Medienbeobachtung involviert ist?

Wir sind mittlerweile ziemlich abgebrüht, was solche Situationen in Österreich angeht, also hat uns auch das nicht mehr groß überrascht. Wir bekommen eher aus dem Ausland Rückmeldungen, dass die Leute nicht verstehen, wie so etwas gehen kann. Ich glaube, der PRVA führt sich da selbst ein wenig ad absurdum. Jedenfalls ist das zumindest auffällig, aber was solls.

Wie groß ist Ihr Unternehmen denn als Medienbeobachtungs- Anbieter im internationalen Vergleich?

Es gibt in Europa ein paar Kraken, die extrem gewachsen sind, aber wir sind zumindest nicht gerade klein. In Deutschland gibt es ungefähr vier, fünf vergleichbare Unternehmen. Es wird sich aber in Österreich nicht vermeiden lassen, dass sich in Sachen Größe irgendwann etwas tut.

Soll heißen?

Man wird sich weiter zusammentun müssen. Wir setzen schon jetzt auf Partnerschaften, vor allem im internationalen Kontext. Ich kann mir gut vorstellen, dass irgendwann doch noch ausländische Partner den Schritt nach Österreich setzen werden.

Ist eine Fusion unter den großen heimischen Mitbewerbern denkbar, um zu wachsen?

Es ist nicht so, dass wir nicht zusammenarbeiten, aber Fusionen unter den Großen in Österreich kann ich mir kaum vorstellen. Wir sind sehr unterschiedlich aufgestellt.

Ist Ihr Unternehmen offen für eine ausländische Beteiligung?

Derzeit nicht. Wie es in zehn Jahren aussieht, kann ich nicht sagen. Aber derzeit: Nein.

Und können Sie sich umgekehrt vorstellen, sich unter den vielen kleinen Mitbewerbern in Österreich um Zukäufe umzusehen?

Sicher. Aber das ist jetzt nichts Dramatisches, das sich im Großen abspielt oder das wir an die große Glocke hängen würden.

Wie funktioniert denn heute professionelle Medienresonanzanalyse?

So wie früher, dass Unternehmen Platz, den eine Zeitungsmeldung benötigt, in Anzeigentarife umgerechnet haben, funktioniert das kaum mehr. Wirklich spannend geworden ist die Analyse durch die Social Media – da sind alle immer noch auf der Suche nach entsprechenden Werten und Messgrößen. Wir behelfen uns mit einer eigenen Software und insgesamt sieben verschiedenen Tools. Die große Herausforderung ist diese Sache mit den Fake News. Einerseits geht es darum, erst einmal so wenig aufwendig wie möglich an den Content zu kommen – und danach darum, den Wust an Information zu quantifizieren und zu qualifizieren. Wir arbeiten zum Beispiel auch mit Alerting-Systemen, um in die Vorwarnung hinein zu kommen.

Das heißt, Sie können Ihren Kunden unter Umständen schon im voraus sagen, dass da auf den Social Media etwas Problematisches entstehen könnte?

Nach langer Zusammenarbeit mit Kunden können wir tatsächlich das Gespür entwickeln, bewerten zu können, was da kommt und welches Potenzial es hat, ob es zum Shitstorm werden kann oder nicht. Wir haben da mittlerweile recht gute Tools entwickelt.

Wie weit können Sie das denn überhaupt beobachten – auf Facebook zum Beispiel passiert ja vieles in speziellen Blasen, die öffentlich gar nicht einsehbar sind?

Es ist grundsätzlich erschreckend, was man alles beobachten kann, wenn man will. Wir bekommend laufend Möglichkeiten angeboten, Dinge zu beobachten, die eigentlich unter Privatsphäre laufen. Sie können sich theoretisch alles ansehen, bis hin zum Darknet. Aber das ist nicht unsere Welt, wir machen das nicht. Wir beobachten für unsere Kunden ausschließlich, was öffentlich und rechtlich einwandfrei, die Privatsphäre nicht verletzend ist.

Was ist bei der Social-Media- Beobachtung noch anders als traditionell bei Print?

Die eigentliche Herausforderung auf den Social Media ist es, die Poster und User in ihrem Beeinflussungspotenzial einzuschätzen, zu gewichten. Das machen bei uns übrigens nicht Algorithmen, sondern Menschen. Wir lassen zwar die vollautomatisierten Analysen auch da drüber laufen, Semantik-Tools und so weiter, aber die Letzteinschätzung machen bei uns unsere Experten.

Wie groß ist die Nachfrage nach Social-Media-Beobachtung?

Das ist definitiv der Wachstumsbereich schlechthin. Zwar steckt in Österreich da alles noch ein wenig in den Kinderschuhen, aber wir tasten uns kontinuierlich nach vorne.

[Klaus Puchleitner]

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