,Irgendwer ist doch immer der Böse‘
 

,Irgendwer ist doch immer der Böse‘

UM-PanMedia-Chefin Tina Hofbauer spricht im HORIZONT-Interview offen über Tendenzen und Trends im Mediageschäft

HORIZONT: Seit Jahresanfang leiten Sie die UM PanMedia. Abgesehen vom wunderbar umgebauten Büro: Was ist neu an der Agentur?

Tina Hofbauer: Allerlei. Zunächst ­haben wir strukturell umgebaut, das heißt, wir haben die digitale Beratung in unsere Kundenberatung integriert. Das große Ziel dabei ist, dass die sogenannten Digitalisten die strategische Denke, für die PanMedia immer schon stand, übernehmen und dass die vormals klassischen Berater zu komplett digitalen Denkern werden. Damit diese Annäherung schneller passiert, arbeiten wir in unserem ganz neuen Büro neuerdings ohne Türen. Ein weiteres Thema, das auch international stark gelebt wird, ist die Zufriedenheit und Motivation des Teams. Der Anspruch von UM International lautet: „We are the best place to work at.“ Das wollen wir in Wien spiegeln. Da gibt es viele Impulse und Programme, die wir sehr massiv mit unseren Mitarbeitern umsetzen. Dazwischen holen wir alles aus dem Network nach Wien, was uns hier unterstützt, ­unseren Kunden perfekte Kommunikationsberater zu sein, Tools und die ­Erkenntnisse aus unserem Media Lab in New York. Das bringt uns Vorsprung. Und zwischendurch liegen etliche ­Ausschreibungen auf den Tischen …

HORIZONT: … und bei denen geht es nach wie vor hauptsächlich um günstige Preise?

Hofbauer: Nach wie vor? Mehr denn je, fürchte ich! Ich wollte, man könnte bei einem Pitch wieder mit strategischem Wissen punkten. Derzeit schlägt die Kondition die Big Idea. Schade. Das Geschäft ist konditionengetrieben, das ist ein Faktum. Und dem müssen auch wir, als traditionell beratungs- und marketinglastige Agentur, uns stellen.

HORIZONT: Dass dieser Druck auf die Konditionen letztlich auf Kosten der ­Medien geht, muss auch als neue Ge­gebenheit hingenommen werden?

Hofbauer: Natürlich ist das ethisch und gesellschaftlich nicht ganz unproblematisch, aber der Zug fährt in diese Richtung. Media ist ein Finanzgeschäft geworden, und es werden zunehmend die Akteure aus diesem Bereich kommen. Unser Network hat kürzlich im Headquarter eine Dame engagiert, die zuvor im Procurement (Einkaufsabteilung, Anm.) eines großen Pharmakonzerns ­tätig war. Sie bringt auch die richtige Denke für dieses Business mit.

HORIZONT: Das Risiko, dass die Medienlandschaft dauerhaften Schaden nimmt, muss man dann auch in Kauf nehmen?

Hofbauer: Nimmt die Medialandschaft Schaden oder verändert sie sich nur? Noch nie war Media so spannend wie heute. Was wir heute alles können, wo wir Menschen überall auf ihrer „Customer Journey“ erreichen können … das ist unendlich aufregend, und umso bedauerlicher ist es, dass diese Arbeit ständig von Finanzdiskussionen überlagert wird.

HORIZONT: Und offenbar erzielt diese Kompetenz, das Beherrschen der ­modernen Medienwelt, keine Wertschätzung durch die Kunden. Wieso ­eigentlich?

Hofbauer: Das stimmt, wobei ich nicht sagen kann, wann genau der Punkt war, an dem das passiert ist. ­Irgendwann ­haben wir Mediaagen­turen unseren ­eigenen Wert und ­letztlich unser Selbstbewusstsein verspielt. Wir handeln doch mit der sensationellsten Ware, die es überhaupt gibt. Egal, was man heute tut, es sind immer Medien im Spiel. Und wir handeln damit – das ist doch groß­artig! Stattdessen lassen wir im Spiel zwischen Kunde und Medium die ­Excel-Liste regieren. Damit schlagen wir uns weit unter unserem Wert. Ich wünsche mir mehr Stolz, nicht nur in Sachen Volumen.

HORIZONT: Sie sagen, Sie handeln. Das heißt, die Diskussion, ob Mediaagenturen eine eigene Wirtschaftsstufe sind, oder doch, wie früher, Treuhänder ihrer Kunden, ist längst erledigt?

Hofbauer: Wir waren abseits unserer Beraterfunktion immer Mittler. Die ­Mediaagentur hat für den Kunden eingekauft.

HORIZONT: Aber heute kaufen die Agenturen immer mehr auf eigene Faust und verkaufen die Werbeflächen dann dem Kunden. Wie stehen Sie zum Thema Trading?

Hofbauer: Es wird auch zu uns kommen, ganz definitiv. Und punktuell und nicht so offen ausgesprochen findet Trading ja auch bei uns statt. Aus den Networks werden ganz sicher nach und nach neue Impulse kommen, das auch in Österreich zu machen – und zwar ganz sicher. Das Entscheidende ist, dass man sich dennoch gegenüber den Partnern auf Medienseite anständig verhält und dass man nie aus den ­Augen verliert, dass ein Land und eine Gesellschaft funktionierende, redaktionell unabhängige Medien braucht.

HORIZONT: Wenn man sich im Markt umhört, bekommt man den Eindruck, die Mediaagenturen seien das Böse schlechthin …

Hofbauer: Irgendwer ist doch immer der Böse, der den Markt bedroht – das war doch schon immer so. Früher ­waren es die großen Österreicher wie die Kronen Zeitung oder der ORF. Jetzt gerade ist Google Bashing en vogue. Groß ist immer bedrohlich. Wer der Böse ist, ist letztlich auch eine Henne-Ei-Diskussion.

HORIZONT: Nächstes Reizwort: Real Time Bidding – in Echtzeit werden Werbepreise an den Bestbieter vergeben. Das Ergebnis: Eine Preisspirale nach unten. Wie stehen Sie dazu?

Hofbauer: Wir sind jedenfalls dabei und versuchen es von einer anderen Seite zu sehen. Wir haben gerade ­einen Workshop für heimische ­Medien organisiert, der Aufklärung ­betreibt und das Inventory-Thema auf eine gemeinsame Basis stellt. Wir wollen, dass die heimischen Titel dabei sind, damit das Volumen nicht ins Ausland abwandert. Denn davon hat niemand etwas, oder?

HORIZONT: Was würden Sie einem Medienvermarkter raten?

Hofbauer: Es ist sicher nicht einfach, und die Kleinheit des österreichischen Marktes macht es noch einmal viel schwieriger. Und gerade für Qualitätsmedien wie den Standard oder die Presse, die auch online auf Qualität setzen, ist es sehr schwierig, Werbeinventar zu einem x-tel dessen, was sie sonst verlangen, in die Systeme einzubringen. Ich verstehe, dass die das nicht wollen. Und auch hier gehören wir zu denen, die nicht auf die Daumenschrauben-Methodik schwören, sondern auf Kommunikation.

HORIZONT: Für die Medien, die da nicht mitmachen wollen, wird der Kuchen immer kleiner, wenn immer mehr Volumen ins Real Time Bidding fließen.

Hofbauer: Ja, das stimmt, denn die Networks setzen alle darauf. Das liegt aber nicht daran, dass Mediaagenturen böse wären, sondern schlicht an der ­Internationalität des Webs. Die Art, wie Menschen kommunizieren und sich informieren, hat sich in den vergangenen zehn Jahren einfach fundamental verändert.

HORIZONT: Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die ­Algorithmen automatisch das erledigen, was früher der eigentliche Job der Mediaagentur war?

Hofbauer: Ja, nur muss man ehrlicherweise sagen: Sie machen es besser als wir. Wir haben die Leute gefragt, ­welches Produkt sie in drei Monaten zu kaufen erwägen. Und das nannten wir dann eine Zielgruppe. Und jetzt wissen wir so viel mehr.

Das Interview geht auf Seite 2 weiter:

HORIZONT: Und daher braucht man Sie bald nicht mehr?

Hofbauer: Das glaube ich ganz und gar nicht, wir tun unendlich viel, was nicht automatisierbar ist. Außerdem, ganz ehrlich: Für eine Zusammenfassung der Media-Analyse hätte man früher auch keine Mediaagentur gebraucht, oder? Es geht ja nicht nur darum. Wir sind schon alleine deshalb so wichtig, weil wir die einzigen sind, die gattungsübergreifend denken. Wir haben das ganze Kommunikations-Portfolio im Überblick und fokussieren auf das, was für unsere Kunden und deren Ziele das Beste ist.

HORIZONT: Aber wenn eine Mediaagentur Trading betreibt und daher bei einigen Mediengattungen, dort wo es für sie lukrativ ist, ins Risiko geht, tut sie sich doch schwer, medienneutral zu agieren. Da liegt es doch nahe, dass die Kundengelder dorthin gelenkt werden, wo die Agentur bereits eingekauft hat.

Hofbauer: Es mag sicher sein, dass es solche Agenturen gibt. Andererseits unterschätzen Sie da die Kunden ganz gehörig. Ich bin sehr froh, dass unter unseren Kunden sehr viele sind, die nicht einfach nur in der Kategorie „Billig“ denken, sondern die mit strategischem Aufwand an ihre Kommuni­kation und ihr Marketing herangehen. Zum anderen ist Media so durchleuchtet wie noch nie.

HORIZONT: Ist das so?

Hofbauer: Aber natürlich: Jeder Schritt wird bis zum Gehtnichtmehr für die ­Finanzabteilungen argumentiert. ­Unlängst hat mir jemand aus einem Konzern erzählt, dass das Procurement ab sofort die Mediapläne verabschieden möchte. Das hat schon eine neue Qualität. Außerdem: Die Budgets, ­gehen, sind noch minimal. Wir sind hier in Österreich ja ohnehin weit entfernt von der Realität in anderen Ländern. Unser digitaler Anteil liegt weit hinten und wir haben noch allerlei gelernte Reichweiten-Phänomene, die perfekt funktionieren. Und noch einmal: Unsere Kunst liegt in der Objektivität.

HORIZONT: Noch ein Reizwort: ­Performance-Modelle, bei denen Werbung nur bezahlt wird, wenn der User auch darauf klickt oder gar eine Bestellung abgibt. Wird diese Denke auch im klassischen Mediengeschäft Platz greifen? Dass also beispielsweise ein Printinserat danach bezahlt wird, wie viele Menschen den QR-Code eingescannt haben …

Hofbauer: Wenn die internationalen Konzerne wie in den vergangenen fünf Jahren weitermachen und immer noch effizienter werben wollen: ganz sicher. Das wäre aber dann tatsächlich eine Herausforderung für die Medien und ist auch nicht das, was ich mir persönlich wünschen würde – aber das steht hier nicht zur Diskussion. Fakt ist: Digitale Transparenz prägt das Medienwesen und auch die Wirkungsforschung.

HORIZONT: Da gibt es die These, dass diese Effizienzsucht im Marketing zulasten der Marke geht. Es wird vor allem auf den Verkauf geachtet, nicht mehr auf den Markenaufbau und das Image. Darunter leidet das Vertrauen in die Marke. Stützen Sie diese These?

Hofbauer: Ich fürchte, das ist eine Old-School-Theorie. Kommunikation hat heute in hohem Maße das Ziel, ‚performance-led‘ zu arbeiten, und das heißt sehr oft Sales. Nicht umsonst machen wir für etliche Kunden Sales-Mo­dellings, um das Zusammenspiel zu ­untersuchen. Sales ist ein starker Parameter. Das Performance-Konzept wird sich durchsetzen.  

HORIZONT: Für einen ­Beobachter stellt sich das Bild ganz grob folgendermaßen dar: Die Auftraggeber müssen sparen, das tun sie vorzugsweise bei den Werbeausgaben. Man spart auch beim Agenturhonorar und lässt – mehr oder weniger bewusst – zu, dass sich Mediaagenturen ihr Geld von anderer Seite holen, letztlich den Medien. Trügt dieses Bild?

Hofbauer: Naja, es ist Ihr Bild. Aber dass Auftraggeber bewusst in Kauf nehmen, dass sich Agenturen Einkünfte von den Medien holen, das glaube ich nur sehr bedingt.

HORIZONT: Sind Mediaagenturen tatsächlich so profitabel, wie behauptet wird?

Hofbauer: Auf jeden Fall ist es so, dass sie innerhalb der Networks den größten Beitrag zum Profit leisten und den Kreativagenturen den Rang abgelaufen haben.

HORIZONT: Je mehr finanzgetrieben das Mediageschäft verläuft, desto schwieriger wird es, sich als Mediaagentur vom Mitbewerber zu differenzieren. Wofür steht die UM PanMedia, wofür soll sie stehen?

Hofbauer: Die UM PanMedia steht dafür, dass sie das große Bild der Kommunikation versteht – Media is about what people do. Das ist unser Wissen, unser New Yorker Lab, unser Vorsprung, unsere Kompetenz. Das alte strategische Denken der PanMedia ist heute eingeflossen in strategisches Kommunikationsdenken. Das harmoniert sehr gut mit der Denke der UM. Wir verstehen, was passiert, und wie der Konsument heute medial denkt und agiert. Dafür stehen wir. Das fließt in unsere Arbeit für unsere Kunden ein. Gefährlich ist der Moment, in dem es sich nur mehr um Geld und Volumen dreht, gefährlich wird es, wenn Media zum Commodity-Geschäft wird. Ich hoffe auf viele in unserer Branche, die daran arbeiten, diesen Zug aufzuhalten. Ich werde es jedenfalls tun.

Dieses Interview erschien bereits am 16. Mai in der HORIZONT-Printausgabe 20/2014. Hier geht's zur Abo-Bestellung.
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