'Haben genug von komplizierten Strukturen'
 

'Haben genug von komplizierten Strukturen'

Dieter Steinbach

Nachdem Gerhard Martinek und Alexander Zelmanovics Zum goldenen Hirschen verlassen haben und Florian Zelmanovics aus der GroupM ausgestiegen ist, haben die drei jetzt als ‚Zeppelin, Emil, Ludwig‘ ihre eigene Agentur gegründet. Ihre Pläne und kritische Sicht auf den Agenturenmarkt.

Dieser Artikel ist zuerst in der Ausgabe Nr. 50/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

HORIZONT: Zeppelin, Emil, Ludwig: Ich vermute eine Anspielung auf die Anfangsbuchstaben von „Zelmanovics“.

Alexander Zelmanovics: So ist es. Florians Sohn Matthias und mein Sohn Pauli, mittlerweile beide 17 Jahre, interessieren sich für Filme. Irgendwann haben sie zu uns gesagt: Gründen wir mal eine Firma, nennen wir sie Zeppelin, Emil, Ludwig. Bösartig, wie wir sind, haben wir den Namen gestohlen (lacht). Und ihnen hoch und heilig Tantiemen versprochen, wenn wir erfolgreich sind.

Nach dem Abgang von den Hirschen beziehungsweise Maxus dieses Jahr kommt dieser gemeinsame Schritt ja nicht für alle überraschend.

Florian Zelmanovics: Xandi und ich wollten schon vor fünf Jahren eine Agentur gründen, was wir aber auch teils aus privaten Gründen noch nicht getan haben. Dann bin ich bei Maxus als Geschäftsführer eingestiegen.

Alexander Zelmanovics: Zum goldenen Hirschen war damals der erste Anlauf von Gerhard und mir, etwas Eigenes zu machen. Gemeinsam mit Stefan Pagitz hielten wir 60 Prozent an der Agentur, 40 Prozent hielten die Hirschen. Durch den Einstieg der WPP hat sich über die Jahre aber einiges geändert. Es wurde immer mehr so, wie wir es nicht wollten. Dann kam noch etwas anderes hinzu, was jetzt aber nichts zur Sache tut. Erstmals tat sich außerdem ein Zeit-Slot auf, in dem auch Flo bereit war. Genau so ein Part hat uns bisher gefehlt: Marketing-, Online-, Kreativ-, und Media-Know-how in einer Person, das macht uns wirklich umfassend. Über zwei Monate haben wir genau überlegt, wie wir’s machen und dann entschieden: Wir ziehen das jetzt zusammen durch.

Florian Zelmanovics: Wobei viele in der Branche schon darauf gewartet haben.

Gerhard Martinek: Für Xandi und mich war klar, dass wir das gemeinsam machen wollen. Das mussten wir nicht einmal aussprechen.

Alexander Zelmanovics: Wir sind einfach drei Freunde mit unterschiedlichsten und langjährigen Erfahrungen in der Branche, die sich zusammentun.

Dieses Büro einer Filmproduktionsfirma hier, das Sie mitbenützen, dient Ihnen als Übergangslösung?

Martinek: Das ist kein Übergang. Es ist unsere Grundidee, kein eigenes Büro und keine Angestellten zu haben. Wir wollen Leistungen direkt zukaufen. Nach einem Kundentermin bleiben wir gerne noch eine Zeit dort sitzen, um zu arbeiten. Kunden lernt man so auch besser kennen. Daher brauchen wir kein eigenes Büro.

Alexander Zelmanovics: Vor einiger Zeit war es noch wichtig, zu repräsentieren. Heute besuchen Kunden die Agenturen zumeist nur noch in der Anfangsphase, um zu sehen, wie’s denn dort aussieht.

Gibt es in dieser Konstellation, vor allem mit einem Brüderpaar, auch Konfliktpotenzial?

Martinek: Ja natürlich, das gibt es. Dreierkonstellationen können auch heikel sein. Sind aber zwei von etwas überzeugt, versucht man eben zu zweit den anderen zu überzeugen. Das funktioniert immer.

Florian Zelmanovics: Jeder hat unterschiedliche Hauptskills, die durch die jeweils anderen ergänzt werden. Dass sich zwei Kreative zusammentun – kommt vor. Aber eine Agentur mit einem Kreativen, einem Kundenberater und einem Online- und Mediaexperten in der Geschäftsführung gibt es nicht oft. Das Beste kommt heraus, wenn man völlig unterschiedliche Zugänge hat. Ich habe gelernt, dass ein Team dann richtig gut ist, wenn es aus unterschiedlichen Menschen besteht.

Sie drei verfügen über 25 Jahre Erfahrung in der Branche. In Ihrer Agenturpräsentation sagen Sie auch, dass Sie genug von komplizierten Strukturen haben. Sprechen Sie hier von Netzwerk-Riesen?

Alexander Zelmanovics: Ja, wir haben wirklich genug von komplizierten Strukturen. Mit Ausnahme der letzten fünf Jahre war ich durchwegs in internationalen Agenturen Kreativchef. Gegen Ende meiner Zeit bei Publicis mussten wir, das war wirklich so, in Paris um Bleistifte anfragen. Als dann eine 100-Euro-Gehaltserhöhung für einen wirklich guten Grafiker nicht durchging, habe ich gesagt: Danke, das wars. Wenn man in internationalen Unternehmen einerseits die Probleme in Österreich nicht kennt, andererseits das Land viel zu unwichtig in der großen, weiten Netzwerkagenturwelt ist, ist das für Kunden nicht effizient. Es war eine lustige, erfolgreiche Zeit, aber irgendwann ist Ende Gelände.

Florian Zelmanovics: Die Frage lautet: Wie viel Zeit kann ich tatsächlich dem Kunden und Geschäft widmen? Bei uns ist das watscheneinfach. Wir müssen keinen mitfüttern, der nicht am Projekt beteiligt ist.

Sehen Sie einen allgemeinen Trend hin zu kleinen Agenturen?

Florian Zelmanovics: Im österreichischen Markt auf jeden Fall, weil es kein Potenzial gibt, große Agenturen am Leben zu halten. Die Etablierten werden sicher noch eine Zeit lang existieren. Aber durch den Trend zu Kurzfristigkeit, Projekten und Personen bin ich mir sicher, dass sich kleine Konstellationen durchsetzen werden.

Martinek: Flexibilität heißt das Stichwort. Wir arbeiten derzeit unter anderem für verschiedene Kunden an drei Homepage-Projekten. In einem Netzwerk müsste ich alle mit dem gleichen Team machen, nur weil es halt da ist. Das ist nicht besonders klug.

Die Netzwerk-Agenturen pochen gleichzeitig gerne auf Ihr internationales Know-how.

Alexander Zelmanovics: Die Kunden wissen irgendwann, dass die kleineren, wendigeren Agenturen ihre Werkzeuge besser einsetzen können als die großen, behäbigen Tanker, die vorgeben, mit tollen internationalen Tools und Kapazundern aus aller Welt zu arbeiten.

Florian Zelmanovics: Man ist dort an deren Tools gebunden. Dabei passen sie in 30 bis 50 Prozent der Fälle gar nicht. Ich selbst habe in unzähligen internationalen Präsentationen von der zum Erbrechen verwendeten „Extra Mile“ gesprochen. Es ist jedoch meist ein Füllwort. Tatsächlich gibt es irgendwo einen Dagobert Duck, der Incomes einsammelt und in seinen Geld-Pool springt.

Eines Ihrer Credos lautet ‚Wir arbeiten aus Leidenschaft, nicht aus Gier‘: Klingt nach einer Abrechnung mit Teilen der Vergangenheit.

Alexander Zelmanovics: Nein, Abrechnung ist das keinesfalls. Wir sagen einfach, dass uns unsere Arbeit wirklich Spaß macht. Deshalb machen wir sie auch besonders gut. In unserem beruflichen Horizont haben wir uns vorgenommen, die Welt ein bisschen besser zu machen und davon leben zu können. Nicht Milliarden zu verdienen.

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