Georg Lebiszczak unerwartet verstorben
 

Georg Lebiszczak unerwartet verstorben

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Nachruf von Herwig Stindl

Sein Abschiedsfest nach 17 Jahren an der Spitze der Werbeagentur Publicis 1997 war eine Inszenierung mit kabarettistischen und theatralischen Einlagen, der emeritierte Langzeitchef trat selbst im Papstgewand auf. Georg Lebiszczak wurde 1940 in Cholm, Polen, geboren, absolvierte in St. Pölten seine Schulzeit und studierte mit Promotion 1965 in Wien Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. 13 Jahre war Lebiszczak Geschäftsführer der Werbeagentur Grey, 17 Jahre, bis 1997, Alleingeschäftsführer der Publicis mit sehr repräsentativem Sitz in denkmalgeschätzten Gründerzeiträumen in der Wiener Spiegelgasse im 1. Bezirk.

Lebiszczak präsentierte sich als Manager der Kommunikationswirtschaft, seine Leidenschaft für Tennis und das Schachspiel – bis zuletzt nahm es an Seniorenturnieren des Wiener Schachclubs teil – waren branchenbekannt. In den 1990er Jahren führte er – unterstützt von Etatdirektor Franz Prenner und Creative Director Hans Cepko – die Publicis zu einem seither nicht mehr bekannten Höhenflug. Dann die Zäsur, 1996/97: Lebiszczak musste sich einen Tumor entfernen lassen, die französischen Eigentümer wurden unruhig. Im Buch „Kapitalkiller Konflikt: 20 Manager packen aus – Aussteigen aus der Streitspirale“ (Claudia Daebner, Ernst Pavlovic, redline verlag München, 2002) gab Lebiszczak zu Protokoll „Der Konflikt wurde mit einer Brutalität beendet, mit der ich nicht gerechnet hatte – dabei bin auch ich nicht gerade ein Waisenkind“ – da erlebte einer, der es an die Spitze der Dependance einer multinationalen Kommunikationsgesellschaft gebracht hatte, dass seine in der oben genannten Bilanz schon formulierter Satz „30 Prozent der Energie werden für Überlegungen aufgewendet, wie sich Rivalen gegenseitig lahmlegen können“ mehr als nur eine Facette hatte. Lebiszczak, wiewohl gesundheitlich angeschlagen, startete ab 1999 eine neue Karriere: Er kooperierte mit tisch7 und Rudi Nemeczek, engagierte sich als Lehrbeauftragter an der WerbeAkademie Wien (initiierte dort den „Talentissimo“) und Ausbildungsstätten in Salzburg, dem Burgenland, am BFI des ÖGB.

Seine Kostümierung beim Abschlussfest zu seinem Publicis-Abgang kam nicht ganz von ungefähr – 2002 publizierte Lebiszczak „Die Affen, der Papst und die Erbsünde“ (Edition va bene, Klosterneuburg) und ließ in die Inhaltsangabe hineinschreiben: „Über den Weg einer Beschäftigung mit Themen wie Massenpsychologie und Massenmanipulation fand er (Lebiszczak, Anm.) zufällig Zugang zum Dogma der Erbsünde. Die Lust zum Quereinsteigen, zu einem geistigen Ausgleichssport der besonderen Art war da, Triebfeder zum Recherchieren in ,einem völlig anderen Revier‘. Warum die grauen Zellen jahrzehntelang ausschließlich für Publicity und Slogans von Waschmitteln, Autos, Pulverkaffee und Schokoladenkeksen bemühen? Wer sagt, dass ein Werbeexperte nicht den Gottesexperten auf die Finger schauen und gegebenenfalls auch kräftig draufklopfen kann? Eben.“ 2005 schrieb Lebiszczak gemeinsam mit Mario Botazzi ein Programm „Werbo – Der Werbeterrorist. Die perfekte Einlage für Werbe-Events aller Art – „Am Programm stehen launige, Betrachtungen zum Thema ,Awarditis‘ und zum Begriff des ,Werbe-Fuzzi‘. Das Marketing- und Werbekauderwelsch wird aufs Korn genommen und ebenso der Habitus der Werbeszene ,dressed to win‘. Originelle Wortschöpfungen und kreative Verbal-Akrobatik ,made by Werbo‘ sind der krönende Abschluss“ – ein Wordrap-Song mit der Refrainzeile „…der Kunde nickt kundig, sagt Aha – es schaut gut aus wenn´s im Powerpoint steht, keiner weiss genau, worum´s hier geht…“.

Am 15. April ist Georg Lebiszczak, wie Tochter Janina Lebiszczak (vormals Society-Reporterin unter anderem bei Wiener und News, profiliert als Kolumnistin „Pandoras Box“) mitteilt, bei einem Vortrag unerwartet verstorben. Er hat ein Stück Werbe- und Wirtschaftskommuniktionsgeschichte in Österreich mitgestaltet, und dabei, was in dem Gewerbe, in dem die geforderte spielerische Kreativität immer auch mit unerbittlichem ökonomisch begründeten Leistungsdruck kollidiert, ein Stück reflektierende Distanz bewahrt: Der Titel eines zuletzt veröffentlichten Beitrages, ein Sukkus auch aus seiner Lehrtätigkeit, trug den bezeichnenden Titel „Morbus bullshit“. Farewell.



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