Experten von Saatchi & Saatchi erläutern anhand eines Nasensprays, warum im Marketing Probleme gesucht werden müssen – und wieso Einfachheit essentiell ist.
Zwei kopulierende Pferde – das berühmte Sujet aus der Benetton-Werbung – bilden überschrieben mit dem Claim „Go radical“ die erste PowerPoint-Folie des Workshops „Go radical! Go for the Problem – not the Solution“ von Strategie Austria.
Jane Cantellow, Strategic Planning Director bei Saatchi & Saatchi in Zürich, und ihr Kollege Lucas Conte, Head of Strategy bei Saatchi & Saatchi Italien, konfrontierten die Teilnehmer mit radikalen Lösungen, die wiederum eine unorthodoxe Herangehensweise an das Problem erfordern: „Oft kommt der Kunde mit etlichen Problemen auf die Agentur zu, die alle in einem 15-Sekunden-Spot abgehandelt werden müssen“, sagt Cantellow: Richtig sei es aber, das eine, wichtige Kernproblem zu identifizieren, das eine zentrale Rolle spielt.
Wer dieses Problem nicht finde, der werde auch die richtige Lösung nicht liefern können; und Teil dieser Arbeit sei es auch, dem Kunden sagen zu müssen, dass er sein Problem ursprünglich falsch definiert hat.
Allheilmittel Big Data?Doch wie findet man eigentlich die echten Kernprobleme des Unternehmens und der Kunden? Jedenfalls nicht ausschließlich mit Big Data, also der von IT-Unternehmen glorifizierten Sammlung und Auswertung großer Datenmengen. „Jeder sucht nach besseren Tools und nach mehr Daten“, sagt Cantellow: „Aber Kunden investieren nicht in eine Agentur, damit diese ihnen durch Datensammlung ihr Geschäft widerspiegelt.“
Vielmehr, so Conte, sucht heutzutage jedermann nach Einfachheit in einer Welt, die immer komplexer wird: „Aber dafür muss die Agentur freilich ihre Hausaufgaben machen.“ Und diese Hausaufgaben involvieren den beiden Experten zufolge etwas, was in einer Zeit schneller, virtueller Kommunikation fast radikal erscheint: Raus gehen in die echte Welt und dort mit Menschen sprechen, die nicht Teil der eigenen Filterblase sind – sondern jene Kunden, die das Produkt wirklich verwenden. Zum Beispiel in puncto Nasensprays.
Nasenspray im ReisegepäckFür einen Kunden mussten die Experten eine Kampagne für dieses vergleichsweise unemotionale Produkt entwickeln und sprachen dafür mit Kunden, die Nasensprays regelmäßig verwenden – dabei stellten sie fest, dass für viele von ihnen eine blockierte Nase ein echtes Leid darstellt: Etwa für Flugbegleiterinnen oder für Yogalehrer, bei denen eine korrekte Atmung ein essentieller Teil der Übung ist.
„Dadurch haben wir viele Use Cases identifiziert und konnten vor dem Kunden anführen, wie sein Produkt tatsächlich Leben verändert“, sagt Cantellow: Die menschlichen Geschichten würden wertvollere Einblicke in die Psyche des Kunden liefern als massive Datenmengen.
In einem anderen Fall mussten sie sich mit Rückenschmerzen auseinandersetzen und beschlossen, mit Menschen darüber zu reden, was für sie die Abwesenheit von Schmerz bedeutet – dazu verbrachten sie Zeit mit Surfern an einem australischen Strand und erarbeiteten hier Lösungsansätze.