Wieso es in Pitchprozessen mehr Transparenz benötigt und die derzeitige Entwicklung die Qualität der Kreation beeinträchtigen könnte. Leitartikel von Marlene Auer, Chefredakteurin.
Dieser Leitartikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 5/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
Es bleibt ein heißes Thema in der Branche: die Pitchkultur. Nicht nur das Prozedere selbst wird immer wieder diskutiert, sondern zunehmend bereits die Formalitäten zu Beginn. Es scheint, als wüchsen die Kriterien- und Fragenkataloge von Auftraggebern an Agenturen immer weiter an, aus der Branche ist immer öfter von ganzen Büchern zu hören, die für eine Bewerbung eines Etats zu erstellen sind. Nun könnte man meinen, der Kunde möchte sich bereits in diesem Stadium ein klareres Bild machen, das ist zu tolerieren. Wenn es tatsächlich so ist. Immerhin fließen seitens der Agenturen viele Arbeitsstunden in die Erstellung der Unterlagen. Kommt es dann zu nicht nachvollziehbaren Bewertungen einer unbekannten Kommission oder eines Komitees, führt das zu Unmut. Agenturen fühlen sich hinters Licht geführt. Auch das ist verständlich. Es benötigt hier mehr Transparenz und Bewusstsein für den geleisteten Aufwand.
Versuche einer Allianz der österreichischen Agenturen sind bisher gescheitert. Es geht um einen Konsens zu Themen wie Timing, Abschlagshonoraren, juristischen Formalitäten oder Preisgestaltung. Allerdings regiert hier offenbar nach wie vor die Angst. Zu groß scheinen Verbindlichkeiten oder die Gefahr, Aufträge zu verlieren. Dabei bedarf es gerade in Zeiten der Digitalisierung, die eine noch individuellere Umsetzung von Kampagnen als bisher erfordert, Zeit für klassische Agenturarbeit. Nur so kann Qualität und moderne Kreation gewährleistet werden. Es braucht fairen Wettbewerb – zwischen Agentur und Auftraggeber, aber auch zwischen den Agenturen. Fließen immer mehr Ressourcen in Formalitäten zu Pitchprozessen, beginnt eine Abwärtsspirale, weil das Kerngeschäft in den Hintergrund rückt.
Die großen Agenturen sollten es also noch einmal versuchen und Kriterien für Pitches erarbeiten – sich aber auch daran halten: Werden sie seitens des Unternehmens nicht erfüllt, nimmt keine Agentur am Wettbewerb teil. Es benötigt dringender denn je einen Schulterschluss, gerade in Zeiten, in denen viele Etats in Headquarters im Ausland entschieden werden, ist das wesentlich, um den Kreativmarkt Österreich zu sichern. Auf der anderen Seite bedarf es Verständnis seitens der Marketingverantwortlichen. Können Kreativagenturen sich nicht auf Kreation konzentrieren, leidet die Qualität. Das will niemand. Weder die Agentur noch der Auftraggeber.