Interview: Michael Ksela feiert mit Scoop & Spoon den zehnten Geburtstag und spricht über die Anforderungen an moderne Agenturen und das Missverständnis Content Marketing
Michael Ksela: In Wirklichkeit ist es ja fast zu einfach – es geht darum, seinen Kunden zu helfen, die Bedürfnisse ihrer Kunden optimal zu erfüllen. In der digitalen Welt ergeben sich wahnsinnig viele Optionen, die für die Konsumenten einfacher, schneller und besser sind. Die muss man ihnen auch anbieten, denn die klassischen Optionen werden da schnell sinnlos – sie gehen an den neuen Kundenwünschen vorbei. Praktisch jedes Unternehmen – ob groß oder klein – trägt digitalisierbare Elemente in sich. Wenn sie die nicht digitalisieren, verärgern sie ihre Kunden und ermöglichen es Dritten, mit entsprechenden Angeboten hineinzugehen, wie Uber, Airbnb und Co.
HORIZONT: Aber was bedeutet das konkret für eine Agentur?Ksela: Sie muss ein tiefes Verständnis der Business-Modelle ihrer Kunden haben und das entsprechende Kompetenz-Portfolio besitzen. Nur wenn man die neuen Kommunikationstechnologien und ihre Anwendung perfekt beherrscht, kann man dem Kunden als Gesprächspartner auf strategischer Ebene begegnen. Im klassischen Bereich der Agentur – dort, wo es um die Bewerbung eines Produktes geht – ist man in der Wertschöpfungskette ganz weit hinten und hat letztlich wenig Bedeutung. Daher sinken die Preise, es gibt immer mehr freie Glücksritter, die Preise sinken weiter – ein Teufelskreis. Die Komplexität, die es heute zu beherrschen gilt, ist viel größer geworden. Klassische Agenturen haben stets Know-how ausgelagert, an Filmproduktionen, Direct-Marketing-Spezialisten oder ähnliches. Zurück blieb ein eingeschränktes Portfolio.
HORIZONT: Wie haben sich aus Ihrer Sicht die Ansprechpartner in den Unternehmen verändert? Ksela: Nachdem es heute um die Transformation des Geschäftsmodells geht, reicht der Kreis der Ansprechpartner bis hinauf auf die Board-Ebene. Was wir tun, verändert meistens das Business der Kunden in irgendeiner Form, das verlangt nach dem CEO. Operativ ist immer auch der IT-Chef eingebunden, weil unsere Kommunikationssysteme immer auch in die bestehenden Systeme des Kunden integriert sein müssen.
HORIZONT: Welche Rolle bleibt da den Marketing-Verantwortlichen?Ksela: Das Marketing wird immer mehr zum Koordinator aller Elemente. Anders als so manche bin ich davon überzeugt, dass das Marketing dadurch noch mehr Kraft hat als früher. Dafür ist es aber entscheidend, dass Unternehmen ihre Marketingabteilungen neu strukturieren. Die Marketer brauchen mehr Kompetenz und Kraft. Marketingabteilungen müssen letztlich genauso komplex aufgestellt sein, wie es die neuen Technologien sind. Dafür brauchen sie aber entsprechende Möglichkeiten. Ich würde mir wünschen, dass die Unternehmern ihren Marketing-Verantwortlichen den Rücken stärken. In Wahrheit bedeutet das: Was da gerade passiert, ist eine Renaissance des Marketings. Es gibt so viel mehr Stellgrößen als das früher der Fall war – in jedem Prozess, in jedem System steckt Kommunikation.
HORIZONT: Wird dem ausreichend Rechnung getragen?Ksela: In Österreich leider sehr wenig. In England zum Beispiel aber schon, das beobachte ich sehr genau. Österreich braucht gute Marketingleute und vor allem Unternehmen, die ihnen die Möglichkeiten geben, sich zu entfalten.
HORIZONT: Scoop & Spoon feiert den zehnten Geburtstag. Wie sehen Sie die Agentur positioniert?Ksela: Wir sind ein Speedboat. Wir können schnell und wendig mit großen Organisationen arbeiten. Wir haben eigene Technologien, die Scoop & Spoon Software Suite, entwickelt, mit denen wir bei Kunden andocken können.
HORIZONT: Können Sie ein Beispiel nennen?Ksela: Für unseren Kunden AVL List haben wir ein komplettes Kommunikations-Ökosystem gebaut, das aus Website, Social Media, Search Engines, Apps, Katalog-Apps, Event-Apps und vielem mehr besteht. Alle sind mit den Prozessen und Datenbanken des Unternehmens verbunden. 550 verschiedene teils hochkomplexe Produkte in vierzig Ländern – aber nur ein Kommunikationssystem, damit jede Kundenanfrage möglichst schnell die individuell passende Antwort bekommt. Das Ziel: Wenn ein Ingenieur irgendwo auf der Welt ein sehr spezifisches Bedürfnis hat, findet er über unser komplexes Kommunikationssystem genau das passende Angebot von AVL.
HORIZONT: Sie haben jetzt die beiden alles dominierenden Modewörter ausgelassen: Content Marketing und Big Data …Ksela (lacht): Big Data ist dabei eine Selbstverständlichkeit, das passiert einfach. Algorithmen helfen uns Modelle zu bauen, wie Kundenanfragen weitergeleitet, verarbeitet oder geclustert werden. Was Content Marketing betrifft, so verstehe ich die Aufregung nicht ganz. Aus meiner Sicht erzeuge ich nur durch die Interaktion mit den Kunden den richtigen Content. Irgendwo im Elfenbeinturm zu sitzen und den Content zu konzipieren – das ist glaube ich falsch.
HORIZONT: Sie beschäftigen 52 Mitarbeiter an den Standorten Graz, Wien und London. Wie kamen Sie nach Großbritannien?Ksela: Weil wir immer mehr große Kunden hatten, wollten wir dorthin gehen, wo der Wettbewerb und die Dichte an modernen Agenturen am größten ist – das ist London. Wir sind dort, um uns auf diesem Niveau messen zu können.
HORIZONT: Was wünscht sich der Agenturchef zum zehnten Geburtstag?Ksela: Ich bin rundum zufrieden. Wir sind behutsam gewachsen und uns haben alle Kommunikations- und Marketingsysteme, die wir heute besitzen, hart erarbeitet und selbst finanziert. Ab jetzt können wir skalieren.