Ein Werkzeug gegen die Schockstarre
 

Ein Werkzeug gegen die Schockstarre

Alois Grill besetzt mit seiner ‚Repositionierungs-Agentur‘ Loys eine Marktlücke und entwickelte den Kommunikations-Audit: Innerhalb von sechs Wochen wird mit Auftraggeber und seinen Agenturen eine Analyse samt operativer Empfehlungen erstellt

Zu Besuch bei Alois Grill und ­seiner 2012 gegründeten Agentur in der Wiener City. Die Terrasse bietet ­einen Bilderbuch-Blick auf den ­Wiener ­Stephansdom, die Büros sind hell, Wände, die nicht aus Glas sind, sind mit moderner Kunst behängt. Alois Grill kann ohne schlechtes ­Gewissen und trotz seines ju­gendlichen Habitus, den sich der heute 54-Jährige erhalten hat, als ­Urgestein der österreichischen Agenturszene bezeichnet werden. Grill ist hemdsärmelig und spricht auch Unangenehmes offen aus. Seine Berufserfahrung als Werber und Unternehmer spannt den ­Bogen vom großen Boom in den Neunzigerjahren über die krakenhafte Ausbreitung der internatio­nalen Werbe-Networks bis hin zur schleichenden Strukturkrise der Werbeagentur klassischen Zuschnitts und dem Niedergang des Marketings und seines Stellenwerts in den Unternehmen. 1992 gründete der dem Ausseerland entstammende Alois Grill mit Markus Gull in Salzburg die Werbeagentur Grill & Gull. Bald fand man den Weg nach Wien, reüssierte am österreichweiten Markt und geriet ins ­Visier eines der großen Werbenetzwerke, nämlich JWT. Über zwölf Jahre lang rangierte man mit der Agentur Grill & Gull Thompson unter den top fünf der Agenturen und trug Verantwortung für die Märkte in Zentral- und Osteuropa. Nach ­seinem Ausscheiden gründete Grill, der sich in­zwischen an Hagan Ski beteiligt hatte, die Agentur younited. Nach drei Jahren fand er eine Marktlücke und hob Loys – die Repositionierungs-Agentur – aus der Taufe.

Kommunikations-Audit

Grill sieht sich als verbindendes Korrektiv zwischen Auftraggeber und Agentur. Er selbst hat aus nächster Nähe mitbekommen, wie komplex, und in Zeiten zurückgehender ­Werbebudgets bei gleichzeitiger ­Explosion der zur Ansprache zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle manchmal überstrapaziert, das Beziehungsgeflecht zwischen Kunde und Agentur ist. Aber auch, welch schweren Stand die Marketingverantwortlichen heute oftmals im eigenen Unternehmen haben. Um in diesem Gefüge einen konstruktiven Beitrag zu leisten, bei dem Grill auf seine mehr als zigjährige Berufserfahrung zurückgreifen kann, entwickelte er ein Werkzeug, das rein vom Namen her zunächst eher abschreckend wirkt, insbesondere für die Agenturen, den Kommunikations-Audit.

Verunsicherung auf Kundenseite

Das Konzept und gleichzeitig das Produktversprechen: In nur sechs Wochen verschafft der Audit einen kompakten Überblick, der sich über sämtliche Kommunikationsbereiche erstreckt, und liefert als Ergebnis „einfache, strategische vor allem aber operative Handlungsanwei­sungen beziehungsweise Empfehlungen“, schwärmt Grill. Den Bedarf sieht er massiv gegeben: „Leider herrscht zurzeit vielerorts eine Schockstarre im Marketing. Vor lauter Angst, etwas falsch zu machen, macht man lieber gar nichts. Das ist fatal. In Summe ist eine Verunsicherung bei den Kunden da, was Werbung gerade mit der ­Zunahme der digitalen Werbewelt wirklich kann.“ Die Kosten für diesen Prozess liegen „beginnend bei knapp 15.000 Euro“, so Grill. Im Idealfall ­erzeugt der Kommunikations-Audit ein gemeinsames Verständnis über die Aktivitäten, die Stärken und Schwächen in der Kommunikation selbst aber auch in der Zusammenarbeit zwischen Agentur und Kunden, aber auch innerhalb des Unternehmens selbst. „Entscheidend ist aber das Tun nach dem Audit“, sagt Grill. Wichtig ist ihm vor allem der ­unternehmensinterne Effekt des Kommunikations-Audit: „Die Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen gehen immer gestärkt aus den Audits hervor. Das liegt daran, dass die Unternehmer beziehungsweise Geschäftsführer oft eine ganz falsche Vorstellung davon haben, was Kommunikation wirklich leistet, aber viel wichtiger, was Kommunikation nicht leisten kann.

,Wollen uns nicht reindrängen‘

Bislang hat er mit seinem Team fünf solche Audits durchgeführt und ­zufrieden festgestellt, dass dieser Prozess auch dazu beiträgt, den ­Stellenwert des Marketings im ­Unternehmen zu festigen und ein stärkeres Commitment durch die Geschäftsführung zu erreichen. Und die Agenturen? Haben Sie diesen Kommunikations-Audit nicht als ­unfreundliches Einmischen in die Beziehung zu ihren Kunden wahrgenommen? Grill dazu: „Ich war lange genug in einer Agentur, um zu ­wissen, dass Agenturen sehr leicht etwas als unfreundlichen Angriff empfinden.“ Und weiter: Die Agenturen mögen den Audit so lange nicht, bis sie selbst tatsächlich damit zu tun ­gehabt haben.“ Das Ziel sei keineswegs, sich reinzudrängen und auf diese Weise selbst Etats abzustauben oder befreundeten Agentur zuzuschanzen. Vielmehr sieht man sich als Berater oder Moderator – ja womöglich als Beziehungscoach, mit Sachverstand und zeitlich begrenztem Mandat. „Von den bisherigen fünf Audits haben wir nur nach einem einzigen empfohlen, die Agentur-Zusammenarbeit zu beenden. Und selbst das war auch im Sinne der Agentur.“ Und ein Feedback von einer Agentur, das Grill besonders gefreut hat, lautete: „Ach, warum haben wir nicht schon viel früher so etwas gemacht.“
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