Die Sehnsucht nach einer analogen Welt
 

Die Sehnsucht nach einer analogen Welt

Beim heurigen CCA-Award war Riebenbauer Design einer der Abräumer. Zeit, Gründer Franz Riebenbauer zum Gespräch über die Agentur zu bitten

HORIZONT: Zweimal Gold, einmal Silber, zweimal Bronze und drei Auszeichnungen – bei der heurigen CCA-Verleihung war Riebenbauer Design ziemlich erfolgreich. Wie kam es Ihrer Einschätzung nach dazu, dass Sie 2015 besonders hervorgestochen sind?

Franz Riebenbauer: Seit letztem Jahr hat sich bei uns viel getan – wir sind stark gewachsen, die Aufgaben wurden mehr, größer, komplexer und ­intensiver. Besonders stolz sind wir darauf, dass das Rauwolf Rösthaus + Brewbar gleich mehrmals ausgezeichnet wurde, ein Coffeeshop, in dem wir unser gesamtes Leistungsspektrum als Agentur ausspielen konnten. Der Coffeeshop befindet sich in der Shopping City Süd, sieht aber eher so aus, wie ein Lokal, das man im siebten Wiener Gemeinde­bezirk finden würde. Wir haben alles vom Markennamen bis hin zur kompletten Einrichtung gestaltet. Der ­Gewinn der Goldenen Venus macht uns sehr stolz, denn dieser spiegelt auch die Veränderung der Agentur wider – die Verlagerung unseres Fokus und Kerngeschäfts von reinen Design-Grafikprojekten hin zur Gestaltung von kompletten Marken­räumen. Wir verstehen Marken im dreidimensionalen Raum, denn: Je digitaler die Welt wird, desto größer wird die Sehnsucht nach einer analogen Heimat. Und die erfüllen wir wie sonst kaum jemand in der heimischen Agenturbranche.

HORIZONT: Wie hat der Auftrag­geber reagiert, als Sie ihm ein Konzept vorgestellt haben, das für die Location doch recht untypisch ist?

Riebenbauer: Am Beginn der Zusammenarbeit haben wir dem
Kunden drei verschiedene Markenprototypen präsentiert. Im Coffeeshop-Bereich gibt es grob gesagt drei verschiedene Gestaltungsgenres: „Nordic Nature“, „San Francisco New Style“ und „Italian Classic“. Jedes dieser Genres hat eigene Gestaltungsmuster. Nachdem sich der Kunde für San Francisco New Style entschieden hat, haben wir die komplette Marke beginnend vom Markennamen bis hin zur Bekleidung der Mitarbeiter konzipiert und designt und bei der Präsentation unseren Besprechungsraum so eingerichtet, wie das Lokal später aussehen soll. Von der Einrichtung mit ersten Mustermöbeln, dem Materialienmix, dem Geruch bis hin zum Sound im Hintergrund war hier alles vorhanden. So hatte der Auftraggeber die Möglichkeit, den Coffeeshop so zu empfinden, wie ihn die Kunden empfinden werden. Und genau das finden wir extrem wichtig. Denn es ist der Mix unterschiedlicher Materialien, die eine Marke greifbar machen und sie zum Leben erwecken. Das gilt nicht nur für Raumkonzepte, sondern zieht sich durch alle Projekte – wie zum Beispiel das Buchcover aus Kupfer von Naturselbst­drucken für das Wissenschaftliche Kabinett Simon Weber-Unger, das auch mit Gold ausgezeichnet wurde.

HORIZONT: Wie wichtig ist es Ihnen generell, auf Werbepreise hinzuar­beiten?


Riebenbauer: Natürlich finden wir es wichtig, wenn Arbeiten, die wir machen, ausgezeichnet werden. Denn dadurch können wir junge kreative Designer erreichen, die wir sonst nicht erreichen würden – das nicht nur in Österreich. So besteht unser Team hier aus zehn Leuten, die aus vier verschiedenen Nationen kommen – ich schätze diesen Mix sehr, da jeder verschiedene Herangehensweisen mit ins Team bringt. Das Schöne daran: Die wurden alle über unsere Arbeiten auf unsere Agentur aufmerksam und nicht über eine Stellenausschreibung.

HORIZONT: Inwiefern ist der Nachwuchs darauf vorbereitet, dass Sie ­Ihren Kunden mehr bieten als nur klassisches Grafikdesign?

Riebenbauer: Gar nicht (lacht). Die meisten können sich kaum vorstellen, was wir machen. Aber das lernen sie hier alles. Wenn sich jemand bewirbt, achte ich darauf, dass sie etwas können, was ich oder sonst jemand im Team nicht kann – das gibt mir die Chance, so viele Bereiche wie möglich abzudecken. Wie viel wir unseren Kunden bieten, zeigt sich auch ­dadurch, wer sich bei uns bewirbt – und da sind schon mal Architekten oder Industriedesigner mit dabei, die wissen, dass wir mehr können als nur Kommunikationsdesign.

HORIZONT: Sie haben die Agentur 2003 gegründet – wie kam es dazu?

Riebenbauer: Nach meiner zwei­jährigen Ausbildung am Communication College war ich vier Jahre bei Jung von Matt in Hamburg tätig, ehe ich zur DDB Berlin gegangen bin und dort mit Leuten wie Amir Kassaei ­zusammengearbeitet habe. Die Zeit in Deutschland war für mich sehr prägend und ich habe viel gelernt, von dem ich heute profitiere. Zurück in Österreich war ich als freier Art ­Director tätig, habe von hier aus aber immer noch hauptsächlich Kunden aus Deutschland betreut. 2003 habe ich Riebenbauer Design gegründet. Was wir heute machen – also die ­Gestaltung von umfassenden Markenräumen, das, was wir Branding nennen – hat aber ab 2007 seinen Lauf genommen: für das Café 220 Grad – damals haben wir, ohne das vorher je gemacht zu haben, zum ersten Mal ein gesamtes Lokal gestaltet, das später als eines der besten Coffeeshops weltweit ausgezeichnet wurde. Da war damals natürlich ein wenig ­jugendlicher Leichtsinn mit im Spiel, ohne den wir uns das vielleicht nicht so leicht getraut hätten.

HORIZONT: Welche Bereiche und Kunden beschäftigen Sie derzeit ­besonders?

Riebenbauer: Die Bereiche Environmental Design – also wie die Marke in einem Raum sichtbar ist – und ­Interior Design wachsen extrem und machen derzeit die Hälfte unserer Agenturarbeit aus. Letztes Jahr hat uns Wüstenrot beauftragt, ein neues modulares Filialdesign zu gestalten – dieses wird noch im April gelauncht, und ich bin davon überzeugt, dass diese Gestaltung im Finanz- und Ver­sicherungssektor einen neuen Standard setzen wird, denn die neuen Filialen werden ganz anders aussehen und funktionieren, wie man sich das bisher vorstellen konnte. Es geht im Grunde darum, bei Wüstenrot nicht nur Versicherungen abzuschließen, sondern auch einmal einen Kaffee zu trinken und zu einem netten ­Gespräch vorbeizukommen. Die Fi­lialen werden zu Meeting Points – vor allem im ländlichen Raum.

HORIZONT: Wie mutig war Wüstenrot, ein eher konservativer Kunde, diesen Schritt mit Ihnen zu gehen?

Riebenbauer: Da ja Wüstenrot heuer sein 90-Jahres-Jubiläum feiert, war bei Wüstenrot eine große Bereitschaft da, neue Wege zu gehen, gewohnte Muster zu brechen. Die neuen Filialen müssen den Kunden ein Gespür für die Marke und deren Geschichte und Tradition ver­mitteln. Und das wurde vom Kunden auch sehr gut angenommen. Ich selbst würde gerne in den neuen ­Filialen arbeiten. (lacht)

HORIZONT: Was hält Sie abgesehen von Wüstenrot noch auf Trab?

Riebenbauer: Für Red Bull gestalten wir das gesamte Welcome Center des Red Bull F1 Rings in Spielberg. Außerdem betreuen wir den Gesamtetat der Fürstlich Castell’schen Bank in Deutschland und des Paketdienstleisters DPD, der nun nicht nur im B2B-Bereich, sondern auch im B2C-Bereich erfolgreich sein will. Bekannt ist auch unsere Zusammenarbeit mit Cineplexx, wo wir die gesamte klassische Kommunikation verantworten. Klassische Werbung ist für mich und mein Team ein schöner Ausgleich zu den sehr umfassenden Branding-Aufgaben und macht sicherlich 40 Prozent unseres Umsatzes aus.

HORIZONT: Riebenbauer Design ist nicht nur in Wien, sondern auch mit einer Niederlassung in Berlin ver­treten, richtig?

Riebenbauer: Da ich so lange in Deutschland tätig war und ein Teil unserer Kunden aus Deutschland kommt, lag es nahe, auch dort vertreten zu sein. Die Niederlassung dort ist allerdings eher eine klassische Werbeagentur und wird von meinem ­kreativen Partner Christian Himmels­pach geführt. Dort arbeiten wir für Kunden wie Triumph, die Museumsinsel Berlin oder adidas, um nur einige zu nennen. Wir stehen im ständigen Austausch miteinander, arbeiten in Wien parallel an Projekten aus Berlin und vice versa.

HORIZONT: Abschließend: Was sind Ihre Ziele für 2015?

Riebenbauer: Viele weitere spannende und herausfordernde Projekte für mich und mein Team! Vielleicht auch die eine oder andere Auszeichnung bei internationalen Bewerben. Denn das würde uns helfen, uns in der deutschsprachigen Branche noch stärker als jene Agentur zu positionieren, die von der Markenstrategie über den Markennamen bis hin zum kompletten, dreidimensionalen Erleben alles aus einer Hand bietet.
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