Der nächste Schritt bei Programmatic Advertis...
 

Der nächste Schritt bei Programmatic Advertising

MediaCom / Media1
Lukas Brändle, Client Director Digital MediaCom, und Roman Breithofer, Head of Digital Media Media1.
Lukas Brändle, Client Director Digital MediaCom, und Roman Breithofer, Head of Digital Media Media1.

Langsam bewegt sich auch der österreichische Werbemarkt in Richtung Programmatic. Viewability und Brand Safety sind aus Agenturensicht zufriedenstellend. Hoffnungen setzt man auf Dynamic Creatives, vor deren Einsatz orten Experten noch Aufklärungsbedarf.

Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe 23/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

Programmatic Advertising ist einer der wesentlichen Treiber im digitalen Werbebusiness. Das IAB Europe skizziert einen Anstieg der automatisierten Werbung von 2015 auf 2016 um 42,7 Prozent auf gesamt 8,1 Milliarden Euro. Programmatic bespielte 2016 mit einem Anteil von 50,1 Prozent erstmals mehr als die Hälfte des Online-Werbemarkts. Für 2022 sollen es laut Digital Market Outlook von Statista in Deutschland rund 62 Prozent im Bereich digitale Werbung sein, in den USA sogar 90 Prozent.

Geht es um konkrete Zahlen für Österreich, wird es meistens schwammig, weiß Roman Breithofer, Head of Digital Media bei Media1. „Programmatic hat sich vor allem bei international gesteuerten Agenturen weiter vorgearbeitet. In Österreich scheint es allgemein jedoch ein steiniger Weg zu sein – wie ihn auch Mobile Marketing gegangen ist, dann aber mit dem bekannten Ende. Den derzeitigen genauen Marktanteil kennt niemand, er ist im direkten Gespräch jedoch stets niedriger als auf Podien.“

Programmatic-Praxis ausbaufähig

Ähnlich sieht es auch der Client Director Digital bei der MediaCom, Lukas Brändle: „2017 lagen sie bei etwas über 20 Prozent der gesamten Onlineausgaben. Damit hinken wir den beiden anderen D-A-CHLändern leicht hinterher, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz haben sie teilweise die 30-Prozent- Marke schon durchbrochen.“ Geht es um den konkreten Einsatz in der Praxis, sei das Inventar in den standardisierten Formaten UAP und HPA „nach wie vor am größten“, erklärt Brändle. Der Client Director Digital hat aber auch ein Ansteigen des Video-Inventars bemerkt. „Deswegen sehe ich diesen Kanal auch als Ergänzung zu den bestehenden Kanälen und Platzierungen. Programmatic Advertising wird die klassische IO-Buchung nicht ersetzen. Alleine schon für das rot-weiß-rote Format der Sitebar gibt es nach wie vor nur ein überschaubares Inventar.“ Aus diesen Entwicklungen liest der MediaCom- Experte die Tendenz ab, „dass die standardisierten Formate maschinenunterstützt gebucht werden, während Sonderwerbeformen und maßgeschneiderte Lösungen den IO-Einkauf erfahren.“ Wichtig sei, dass dabei jemand den Gesamtüberblick behalte: Das sei „schon jetzt die Aufgabe einer Mediaagentur und diese Rolle wird in einer immer komplexer werdenden Medialandschaft noch wichtiger“. Auch Breithofer von Media1 identifiziert UAP-Formate als das meistgenutzte Format, „das größte Budget geht in Cross-border-Traffic, vorrangig von deutschen Publishern“. Response bleibe ebenso weiterhin der Fokus der automatischen Ausspielung von Werbemitteln, „oft halt nicht durch ausgeklügeltes Targeting, sondern durch die schiere Masse – was dann wiederum auch einen Branding-Effekt zeitigen kann, so oder so“.

Fragen zu Dynamic Creatives

Als beliebter Aufputz jeder Pitch- Präsentation haben sich die Dynamic Creatives gemausert, berichtet Breithofer aus der Praxis. Die Werbemittel, deren Inhalt und Layout dynamisch und in Echtzeit zusammengesetzt werden, seien in der Praxis aber noch nicht angekommen. Der Media1-Digitalchef sieht darin aber eine gute Möglichkeit für die Zukunft: „Nach dem ‚if this then that‘-Prinzip im relevanten Moment zu schalten, bietet viele Chancen für eine erhöhte Werbewirkung.“

Auch Brändle von der GroupMAgentur MediaCom spricht in höchsten Tönen von der neuen Werbeform: „Dynamic Creatives rütteln an den Grundfesten – wie wir denken und wie wir mit dem User kommunizieren sollen.“ Gleichzeitig zeigt er aber auch Pessimismus, was den baldigen Einsatz betrifft: „Besonders bei Kreativagenturen herrscht noch große Ratlosigkeit. Aus der Erfahrung der letzten zwei Jahre bin ich nicht gerade optimistisch, ob sie das Prinzip überhaupt einmal verstehen werden.“

Ähnlich wie bei Media1 erlebt man bei der MediaCom hier die Pitchkultur: „Dynamische Werbemittel werden oft als Selbstzweck gesehen. Doch diese Art der Werbemittel muss genauso wie alle anderen Media- und Kommunikationsmaßnahmen in ein strategisches Ganzes eingebettet sein, ansonsten bringt der Aufwand nicht den gewünschten Output.

Dazu seien zwei Dinge essenziell: „Dynamic Creatives sind tendenziell ungeeignet für Laufzeitkampagnen, weil sie Zeit und ein gewisses Datenpool brauchen, um überhaupt ihre Vorteile ausspielen zu können. Und zweitens sind solche datengetriebenen Werbemittel für uns noch schwer zu fassen. Mit der Prozesserfahrung, dass Werbemittel erstellt, vom Kunden freigegeben und danach ausgespielt werden, ist es schwierig zu begreifen, dass es bei dynamischen Werbemitteln weder diese Art von Freigabeprozess, noch beispielsweise Screenshots gibt.“

Der Einsatz von Dynamic Creatives beziehungsweise dynamischen Werbemitteln brauche ein hohes Maß an technischem Know-how, sowohl auf Kreativseite wie auch auf der Seite der Mediaagenturen, ist Brändle überzeugt. Aber: „Der Outcome ist vielversprechend.“

Bei den Dauerbrennern Brand Safety und Viewability zeigt sich Breithofer von Media1 mit dem momentanen Angebot am heimischen Markt zufrieden: „Analog zu ihrer überdurchschnittlich guten Viewability- Rate bieten die etablierten und relevanten heimischen Publisher eine überdurchschnittlich gute Brand Safety. In der planungstechnischen Praxis schaut man sich natürlich jedes Line Item gesondert an.“ White- beziehungsweise Blacklists seien demnach je nach Intention positiv zu sehen: „Wenn das Ziel ist, die Kontrolle über den Kontakt mit dem User zu behalten, dann sind sie sehr zielführend.“ Die oft geäußerte Kritik, dass es für die programmatische Werbung in Österreich an Inventar fehle, entgegnet Breithofer: „Sie entstand aus überzogenen Erwartungen, auch für Nano-Zielgruppen in kurzen Zeiträumen genügend Geld ausgeben zu können. Anzeigenplätze auf österreichischen Seiten sind im europäischen Vergleich regelmäßig auf den vorderen Plätzen zu finden, was Viewability betrifft. Die ‚geringe Verfügbarkeit‘ ist wie so vieles relativ“, ist er überzeugt.

Warten auf DSGVO-Echo

Zu den Auswirkungen der Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO) auf Programmatic Advertising, worüber bereits vorderhand viel spekuliert wurde, möchte sich Breithofer vorerst nicht näher äußern: „Es ist noch zu früh, um das zu beurteilen. Nach unserer Einschätzung kommt aber ein ungleich größerer Einschlag mit der geplanten ePrivacy-Richtlinie – sofern die nicht grundlegend abgeändert wird.“ Ganz unabhängig von den Regulatorien, die es in diesem Bereich noch geben wird, sieht der Digitalchef bei Media1 die Stunde für Programmatic Advertising auch in Österreich kommen: „Auf ganz lange Sicht wird nahezu alle Werbung auf Algorithmen basierend automatisiert über Dashboards ausgeliefert werden. Die spannendere Frage ist, wie schnell sich andere Mediengattungen wie etwa TV, Radio oder OOH programmatisieren.“

[Veronika Höflehner]




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