Demner, Merlicek & Bergmann: Der große Umbruc...
 

Demner, Merlicek & Bergmann: Der große Umbruch

Sebastian Reich

Eine der größten österreichischen Agenturen, Demner, Merlicek & Bergmann, stellt sich neu auf. In der digitalen Umwälzung sollen zusätzliche Services und Kooperationen das Geschäft absichern – und den in den Markt drängenden Unternehmensberatern die Stirn geboten werden.

Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 17/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

Neue Zeiten bei Demner, Merlicek & Bergmann: Die 1969 gegründete und zu den renommiertesten und größten des Landes zählende Agentur richtet sich strategisch neu aus. Die nach außen bereits sichtbare Veränderung ist die neu etablierte Geschäftsleitung der DMB-Holdinggesellschaft. Dieser gehören Melanie Rönnfeld, die den Strategieprozess ein halbes Jahr leitete und anschließend an Bord geholt wurde, Moana Merzel, schon bisher in leitenden Funktionen in der Agentur, sowie Media-1-Geschäftsführer Joachim Krügel an. Diese Holding-Führung ist den einzelnen Agenturen (DMB Werbeagentur sowie Mediaagentur Media 1) übergeordnet, deren Geschäftsleitungen bleiben unverändert. Die neue Dreierspitze der Holding ist nach Kompetenzen geclustert: Merzel, bereits bisher für die Bereiche Administration, Controlling, Vertragswesen und Human Resources zuständig, übernimmt zudem das Supervising der DMB-Kundenberatung. Rönnfeld verantwortet den Ausbau der digitalen Kompetenzen, Bewegtbild, Film-, Funk- und Fernsehwerbung, Medienproduktion und IT beziehungsweise Softwareentwicklung sowie die Stabsstellen Business Development, Corporate Communications und Partnernetzwerke. Krügel nimmt neben seiner bisherigen Rolle als Geschäftsführer der Mediaagentur- Tochter Media 1 in der Holding zudem die Aufgaben zur strategischen Ausrichtung der Gesamtgruppe sowie das Entwickeln neuer Geschäftsfelder wahr. Er verantwortet auch den Bereich Forschung. Die nach innen bereits eingeleiteten Veränderungen – und wie die Rolle der Eigentümer Mariusz Jan Demner und Harry Bergmann aussieht – erläutern sie im HORIZONT-Interview.

Horizont: Sie haben die Geschäftsleitung der DMB-Gruppe neu besetzt, damit einher gehen soll eine strategische Neuausrichtung. Was waren die Überlegungen hinter dieser Umstrukturierung?

Mariusz Jan Demner: Um uns herum verändert sich nicht nur die Branche, sondern die ganze Welt in einem atemberaubenden Tempo. Eine Agentur-Gruppe wie diese, mit einer Verantwortung für rund 130 Leute, muss sich intensiv Gedanken über die künftige Ausrichtung machen. Wir bieten eine Fülle an Dienstleistungen, die es allesamt zu überprüfen und teils neu auszurichten gilt. Außerdem wollen Harry Bergmann und ich uns viel stärker von einer inhabergeführten zu einer inhabergelenkten Agenturgruppe entwickeln – und auf das konzentrieren, was wir am besten können. Derzeit sind wir als Working Captains randvoll mit Aufgaben, die andere genauso gut oder sogar besser erledigen könnten.

Bedeutet das zugleich Ihren Abschied aus dem operativen Geschäft?

Harry Bergmann: Keineswegs. Aber die hier versammelte neue Geschäftsleitung kann nur wirksam agieren, wenn wir beide auch Aufgaben abgeben. Die Rollen sollen sich bewusst verändern, aber das bedeutet nicht, dass wir in den Ruhestand gehen.

Die Neuaufstellung wurde in einem halbjährlichen Analyse-Prozess absolviert, in dem sie Markt und Kunden über Anforderungen befragt haben. Was sind die wesentlichen Erkenntnisse daraus?

Melanie Rönnfeld: Die der Werbeagentur DMB und der Mediaagentur Media 1 nun übergeordnete neue Geschäftsleitung ist konsequenter Ausdruck der dahinterliegenden Überlegungen. Für die Kernpunkte existiert eine Prioritätenliste, die wir mit dem eingeleiteten Change-Prozess nun realisieren.

Joachim Krügel: Hinter all dem steht eine zentrale Überlegung: Das Spielfeld von Kommunikation ist größer und tiefer und in diesem Kontext sind Beratung und Strategie weitaus wichtiger geworden. Wir müssen klare Handlungsanleitungen für Kommunikation nicht nur definieren. Unser Anspruch ist es, inspirierende Strategien aus einer von Katharina Schmid hervorragend geführten Abteilung heraus bis ins kleinste Detail umsetzen zu können.

Demner: Strategie war und ist auch die große Stärke von Bergmann und mir. Kunden wie XXXLutz, Vöslauer, Darbo und viele andere konnten wir nicht nur in kommunikativen Fragen beraten, sondern auch unternehmerische Impulse mitentwickeln. Strategische Beratung werden wir beide persönlich deutlich forcieren.

‚Wir geben unsere splendid isolation als Branchenmonolith auf.‘

Ist dieser Schritt in Richtung Beratung über die Kommunikation hinaus auch ein bewusster Gegenpol zu Unternehmensberatern, die in die Kommunikation drängen und Ihnen das Geschäft streitig machen?

Demner: Was diese Berater nicht können, ist das Geschichten erzählen. Sie wissen nicht so gut, wie man Marken baut. Aber auch sie haben verstanden, dass Einzelteilchen dem Kunden nicht reichen – es geht um ganzheitliche Beratung und Kommunikation. Das ist einer der Gründe, warum wir uns in diese Richtung noch stärker aufstellen. Bergmann und ich haben Jahrzehnte hindurch Wissen über Marken und Produkte für eine Unzahl an Kunden akkumuliert. Daher werden wir den Spieß umdrehen und nicht warten, bis die Accentures dieser Welt die Werbebranche übernehmen. Wir werden denen nicht Beratungsleistungen, wenn sie mit Marken zu tun haben, überlassen – sondern sie in deren eigenem Geschäft fordern.

Rönnfeld: Natürlich sehen wir uns bei großen Unternehmensberatern wie Accenture oder Deloitte mit neuer Berater- und Technologiekompetenz konfrontiert, die inzwischen überlegen, ganze Networks wie Publicis oder WPP zu kaufen. Das ist neuer Wettbewerb, der die Branche immens fordern wird.

Bergmann: Berater und Agenturen haben schon durch ihre verschiedenen Aufgabengebiete auch verschiedene Touchpoints, an denen sie einen Auftraggeber betreuen. Beratung setzt meist früher an als Kommunikation. Natürlich werden wir nicht immer alle Touchpoints, sprich Serviceleistungen, anbieten können; aber möglichst viele Touchpoints mit dem Auftraggeber unter einem Dach zu haben bringt beiden Vorteile.

Sie haben anfänglich angemerkt, alle Bereiche hinterfragt zu haben. Welche werden Sie künftig forcieren?

Rönnfeld: Die Digitalgeschäft wird immer wichtiger und relevanter. Wir bauen bestimmte Bereiche wie unsere Dienstleistungen für Bewegtbild weiter aus. Hier liegt noch viel Potenzial, das in einem noch schwach entwickelten Markt wie Österreich mit Kunden voranzutreiben. Im Bereich Social Content stellen wir uns neu auf. Wir werden uns in nächster Zeit strukturell so entwickeln, dass wir komplette Units dafür neu integrieren. Das Ziel ist zukünftig neue digitale Produkte und neue Services zu entwickeln.

Moana Merzel: In der über 40-jährigen Agenturgeschichte sind eben viele Services intuitiv passiert und dem Kunden mitgeliefert worden – es liegt einfach in unserer DNA, vorrangig darüber nachzudenken, was die Marke voran -und nicht bloß, was ein Geschäft bringt. Aber wir werden auch prüfen müssen, wie wir weiterhin unsere Kunden erfolgreicher machen können, ohne selbst dabei unterzugehen.

Krügel: Forschung ist ein Bereich, in den wir schon sehr lange investieren. Wir haben das Tool Markenmagnetismus entwickelt und können die Wirkung von Werbung auf Basis von Markenstrategie, Creativstrategie und Mediastrategie beurteilen. Wir haben kürzlich eine große Studie im Bereich Bewegtbild umgesetzt und arbeiten auch im Digitalbereich an Forschungsthemen. Nur, es geht uns nicht um Ergebnisse, sondern um Erkenntnisse. Es geht darum, dieses Wissen nicht nur jedem in der Agenturgruppe zugänglich, sondern vor allem es nutzbar zu machen.

Bedeuten diese Überlegungen im Gegenzug auch, dass Geschäftsfelder konsolidiert werden?

Rönnfeld: Wir denken auch darüber nach, welcher Dinge wir uns entledigen - im Zentrum stehen für uns die Kundenbedürfnisse. 360-Grad- Agenturen gibt es nicht, keine Agentur der Welt kann alles anbieten. Wir brauchen Partnerschaften.

Sind in diesem Kontext auch Zukäufe, etwa was Tech-Know-how betrifft, vorstellbar?

Demner: Noch vor zehn Jahren hätte ich das ausgeschlossen, weil es unser Ansatz war, selbst zu machen. Zukäufe würde ich nun nicht mehr per se verneinen; auf jeden Fall werden wir mit anderen kooperieren und das weitaus stärker als in der Vergangenheit. Wenn der Kunde Anforderungen im technischen Bereich hat, in dem andere besser aufgestellt sind, werden wir Kooperationen suchen. Wir geben unsere splendid isolation als Branchenmonolith auf und werden die Zusammenarbeit auch stärker suchen müssen.

Krügel: Unser Ansatz ist: Fantasie ist wichtiger als Wissen, um Albert Einstein zu zitieren. Technologie kann man immer dazukaufen, den Umgang mit Technologie aber sehr schwer. Wir müssen verstehen wie wir Technologie einsetzen; wenn wir sie benötigen, werden wir sie am Markt auch bekommen oder letztlich vielleicht auch selbst entwickeln. Demner: Gute Geschichten zu erzählen ist eine Spezialität des Haues. In der Frage, wie wir das mit Technologie verbinden, sehe ich ein breites Spektrum, in dem wir Gas geben müssen – weil auch die Entwicklung am Markt rasant ist.

Was braucht denn Kommunikation und damit die Agentur der Zukunft?

Bergmann: Von der Metaebene betrachtet: Kommunikation ist eine Tochter der Zeit. Die Welt verändert sich in einer rasanten Art und Weise; Menschen realisieren oft gar nicht, was sich da alles verändert – und damit auch die Kommunikation.

Rönnfeld: Ja, wir müssen vor allem schneller und reaktionsfähiger werden.

Demner: Dabei gibt es eine Konstante: Was Kommunikation für die Kunden immer gebraucht hat, ist das Stärken der Marke. Durch die unerhörte Fragmentierung und explosionsartige Erweiterung der technischen Möglichkeiten ist es noch wichtiger, in all diesen Bereichen die Marke spürbar zu halten. Das ist in der klassischen Werbung einfacher gewesen. Der Kunde sieht sich mittlerweile nicht mehr raus: So mancher hat eine Werbe-, eine Media-, eine Content-, eine Digitalagentur; das Feld ist so groß und unüberschaubar geworden, dass die Marke immer mehr unterzugehen droht. Wir nehmen dem Kunden auch die Orchestrierung ab. Warum Media und Kreation so weit auseinandergerückt sind, haben wir nie verstanden. Auch das drückt diese neue, beiden Einheiten übergeordnete, Geschäftsleitung aus.

Veränderung bringt nicht nur Chancen, sondern auch Ängste. Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass das Team das auch gut aufnimmt und mitzieht?

Merzel: Das ist kein Prozess, der starr top-down passiert. Wir haben die Mitarbeiter von Anfang bewusst ins Boot geholt.

Rönnfeld: Veränderung hat ja auch immer mit Kultur zu tun. Wir sind bezogen auf die Mitarbeiter eine sehr junge Agentur. Die bringen diesen Spirit ohnehin mit. Kultur kann man aber nicht überstülpen, Kulturen müssen zusammengeführt werden.

Merzel: Und mit der geplanten Neuausrichtung bekommen Mitarbeiter neue Möglichkeiten, in denen wir sie aktiv fördern und begleiten werden. Wir werden aber auch frischen Wind brauchen, vielleicht auch neue Teammitglieder, die ihr Knowhow bisher abseits der Kommunikation eingebracht haben.

Inwiefern wird sich mit der neuen Führung auch der Managementstil, der stark von den Gründern geprägt war, verändern?

Rönnfeld: Klar ist: Wir müssen uns von der Personenmarke DMB hin zur Agenturmarke DMB entwickeln.

Demner: Bergmann und ich haben einen sehr eigenen Stil, der Ärmel aufkrempelnd mitreißen und die Richtung vorgeben soll. Ich glaube festzustellen, dass viele Leute im Haus den sehr partizipativen Stil der neuen Geschäftsleitung außerordentlich schätzen.

Ist das auch eine Abkehr der Art der Werbung – oft polarisierend und mit externer Kritik beantwortet – wie man sie von den Eigentümern kennt?

Demner: Natürlich nicht. Es gibt nur polarisierende Werbung oder solche, die man nicht wahrnimmt. Diese Einstellung haben wir nicht verloren, das wird es weiterhin geben.

Rönnfeld: Uns ist es wichtig, die Heritage dieser Agentur mitzunehmen. Natürlich müssen wir etwas neu machen, neue Ansätze fahren – aber das Charakteristische werden wir erhalten.


Zur Person

Melanie Rönnfeld blickt auf umfangreiche Erfahrung in deutschen Werbeagenturen wie Grey und TBWA, Live- Kommunikationsagenturen wie Vok Dams und Uniplan, Markenagenturen wie MetaDesign und zuletzt als Geschäftsführerin bei der Content-Marketing-Agentur fischerAppelt in Berlin zurück.

Moana Merzel, zuvor bei Ogilvy & Mather, kam 2008 als Etat- Direktor zu Demner, Merlicek & Bergmann und stieg Anfang 2016 in die Geschäftsleitung der Agentur auf.

Joachim Krügel leitet die Mediaagentur Media 1 seit dem Jahr 2013. Davor war er für Aegis Media, den AHVV Verlag und die SevenOne Media tätig. Mariusz Jan Demner ist Gründer und Gesellschafter der Agentur DMB, Harry Bergmann ebenso Gesellschafter.

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