Tina Kasperer und Michael Göls über die jüngsten Erfolge der Media Planning Group Austria (MPG), den ‚Wahnsinn‘ namens Trading, neue Vergütungsmodelle für Mediaagenturen und die Bedeutung der ÖAK für das Werbegeschäft.
HORIZONT: Beginnen wir ganz aktuell: Die Euro RSCG firmiert in Havas um, wird die Media Planning Group Austria auch bald Havas Media heißen?
Tina Kasperer: Sicher nicht so bald. Wir sind die MPG, gehören der MPG in Spanien, die wiederum mittelbar zu Havas gehört. Kann sein, dass Havas Media 2012 als Co-Branding kommt. Für die Euro RSCG mag die Umfirmierung im Zuge ihres Neustarts ganz sinnvoll sein.
HORIZONT: Was waren 2011 die Meilensteine der Agentur?
Michael Göls: 2011 war wie das Jahr davor ein super Jahr. Westbahn, Westbus, Westtravel und einiges mehr haben wir lokal gewonnen und zum Schluss des Jahres noch auf internationaler Ebene den kompletten Etat von Reckitt Benckiser. Da kam am 12. Dezember der Zuschlag, und am 1. Jänner haben wir bereits gebucht … Das war noch einmal ein großer Brocken für unser Neugeschäft. Außerdem haben wir Air France und KLM international verteidigt …
HORIZONT: Wo sehen Sie den Wettbewerbsvorteil der MPG?
Göls: Wir haben eine schöne Story zu erzählen, mit sechs Jahren sind wir – vielleicht nach der Maxus – die jüngste Mediaagentur am Markt. Das heißt, wir müssen nicht mit tradierten Businessmodellen und einem großen Apparat arbeiten. Wir können glaubwürdig über Integration, Multiplattform und ähnliche Schlagworte sprechen, weil wir es nie anders gemacht haben.
HORIZONT: Was meinen Sie mit tradierten Geschäftsmodellen?
Göls: Wir haben nie TV- und Printkampagnen in so einer Reinkultur gepflegt wie andere Agenturen, da agieren wir einfach flexibler. Wir mussten auch nie Digitalexperten dazuholen, sondern waren von Anfang an komplett integriert aufgestellt. Wenn Sie so wollen, sind wir die Westbahn unter den Mediaagenturen.
HORIZONT: Spiegelt sich das auch im Mediamix der MPG wider?
Göls: Ja, wir sind derzeit bei 18 Prozent digitalen Billings, das ist sicher doppelt so viel wie insgesamt im Markt. Dazu braucht es natürlich auch Kunden wie Kia oder Hyundai, die uns das geradezu aus den Händen reißen.
HORIZONT: Zulasten welcher Mediengattung geht das?
Göls: Hauptsächlich zulasten von Print.
HORIZONT: Die MPG hat den hochtrabenden Claim „Leading New Thinking“, wie lässt sich der ins tägliche Mediabusiness übersetzen?
Kasperer: Das kann man an innovativen und kreativen Media-Ideen greifbar machen, die sehr oft quasi nebenbei funktionieren – Guerilla-Projektionen aufs Parlament für die Industriellenvereinigung.
Göls: Das sind dann oft Türöffner bei potenziellen Neukunden. Auf internationaler Ebene bezieht sich „Leading New Thinking“ einerseits auf eine starke Konsumentensicht – Stichwort „Consumer-centric Planning“ – und auf einen Fokus auf Nachhaltigkeit – das wird bei uns richtig ernst genommen. Ebenso wie das Thema Diversity, also die Maßgabe für möglichst großen Facettenreichtum bei den Mitarbeitern.
HORIZONT: Was erwartet ein moderner Kunde von einer Mediaagentur, welche Rolle ordnet er ihr zu?
Göls: Ein modern aufgestellter Kunde hat seine Services bei Kreativagenturen ziemlich nach unten geschraubt, sei es, weil sie die Kreation international übernehmen oder zu ganz kleinen Margen einkaufen. Das heißt für die Mediaagentur, dass sie die Planning-Aufgaben übernehmen muss. Dass eine Mediaagentur einen ordentlichen TV-Plan aufstellen kann, gute Preise verhandelt – das ist eine Selbstverständlichkeit –, darüber hinaus erwarten sich Kunden Anstöße, insbesondere im Digitalbereich.
Kasperer: Dass Mediaagenturen in die Richtung gehen, die Verantwortung für den gesamten Kommunikationsbereich zu übernehmen, ist jedenfalls eine ganz klare Tendenz. Das Adaptionsgeschäft kommt langsam aber stetig, ebenso wie Produktion, Events oder Promotions. Langsam schleicht sich so wieder das Agenturmodell aus den Achtzigern ein …
HORIZONT: Diese Entwicklung läuft eigentlich dem Trading-Modell entgegen, bei dem sich die Mediaagentur auf das Brokering von Werbeinventar spezialisiert. Wie stehen Sie zu Trading?
Kasperer: Also in Österreich spielt das ja keine Rolle. Soll ich zur Kronen Zeitung oder zum ORF oder meinetwegen zu RTL hingehen und sagen: Ich kauf dir dein Inventar ab? Das ist eine erhitzte Debatte in Deutschland, für uns hier spielt es kaum eine Rolle. Es ist ein Trend, den man aufnimmt, kann aber nicht das Ziel einer Mediaagentur sein. Im Gegenteil: Trading ist ein Wahnsinn! Es ist das falsche Mäntelchen für fiese Deals in jede Richtung.
Göls: Das Verheerende ist dieses systematische Preisdrücken der Medien über eine konstruierte Finanzdienstleistung. Es ist nicht in unserem Interesse, dass die Medien, die ohnehin unter großem Druck stehen, völlig manövrierunfähig werden.
HORIZONT: Das hört man selten von Media-Menschen …
Kasperer: Es ist aber so! Und wir entwickeln lieber mit einem Medium gemeinsam eine Promotion-Idee, die wir dann unseren Kunden anbieten und die das Medium anschließend auch weiterverkaufen kann – so wie wir das etwa mit dem Radiosender 88.6 und unserem Kunden Kia gemacht haben.
Göls: Es ist auch eine Anmaßung von Mediaagenturen, zu behaupten, sie kennen sich im Vermarktungsgeschäft besser aus als die jeweiligen Medien selbst.
HORIZONT: Was erwarten Sie von 2012?
Kasperer: Im ersten Quartal lag unser Hauptaugenmerk darauf, unser Neugeschäft erstmals perfekt zu integrieren – das war schon ein ziemlicher Brocken.
Göls: Was das Werbeverhalten der Auftraggeber betrifft, so habe ich das Gefühl, dass es eine gewisse Sehnsucht nach dem Fortschreiben von bewährten Maßnahmen betrifft. Es herrscht Vorsicht und Behutsamkeit, es gibt keine großen Neueinführungen auf der einen Seite und aber auch keine großen Pitches auf der anderen Seite.
HORIZONT: Wo drückt Sie der Schuh? Was kann schiefgehen?
Kasperer: Dass wir uns zu wenig schnell verändern. Man darf sich in dem Geschäft nie zurücklehnen, muss sich ständig weiterentwickeln. Da gibt es so viele Ideen – eine davon ist, dass wir die Havas-Unit für Sports und Entertainment hier nach Wien bringen.
HORIZONT: Hätten Sie einen Wunsch an die Auftraggeber frei, wie würde der lauten?
Kasperer: Das sie dem, was eine Mediaagentur heute leistet, auch in der Honorierung Rechnung tragen und von dem Prozent-Honorar-Modell wegkommen. Eine Monatspauschale spiegelt das Leistungsspektrum besser wider, bei einigen wenigen Kunden haben wir das schon erreicht.
Göls: Die Kunden davon zu überzeugen, liegt aber an uns.
HORIZONT: Und Ihr Wunsch an die Medienvertreter, wie würde der dieser Tage lauten?
Göls: Richtige Auflagenzahlen …
Kasperer: Ganz genau! Denn die ÖAK spielt für uns schon eine große Rolle, es ist schon vermessen, zu sagen, sie sei nur das Drüberstreusel. Hoffentlich kommt es da zu mehr Transparenz!