BZÖ-Bundesgeschäftsführer Michael Richter ruft zum Nachdenken auf. Wer die kreativen Köpfe hinter dem orangefarbenen Wahlkampf sind, daraus wird ein Geheimnis gemacht. Was aber ganz groß geschrieben werde, ist politischer Stil
In der Sekunde, als Heinz-Christian Strache die FPÖ übernommen hat, war er weg – aufgrund fehlender Gemeinsamkeiten. Michael Richter, Bundesgeschäftsführer des BZÖ, ist gelernter Techniker und war 25 Jahre als Journalist tätig, allerdings im unpolitischen Bereich. Er zeigt sich trotz schwieriger Zeiten stolz: „Wir sind schuldenfrei, stehen ordentlich da.“ Unaufgefordert spricht er die heikle Thematik sofort von selbst an: „Ich kann – vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens – nicht für die Vergangenheit sprechen oder darüber, was da einige Leute, die auch beim BZÖ waren, allenfalls getan haben. Wir haben immer gesagt, wir leisten einen Beitrag zur Aufklärung.“
Was nun aber im Mittelpunkt des Interesses steht, ist freilich der Wahlkampf. Am 1. September war offizieller Start in St. Wolfgang, und man setzt auf die Themen Fair Tax, Verwaltungsreform und Familie, wobei vor allem die Patchwork-Familie gemeint ist. „Wir haben hier in Österreich ein veraltetes Ehe-, Unterhalts- und Scheidungsrecht. Die Dinge haben sich weiterentwickelt, und Ansprüche moderner Familien sind ganz andere als die, auf die die politischen Rahmenbedingungen passen“, so Richter. Ob jemand ein Kind adoptiert, ob jemand ein guter Vater oder eine gute Mutter sein kann, hänge selbstverständlich nicht von der sexuellen Orientierung ab.
Das BZÖ setzt mit den neuen Sujets auch weiter auf die Prämisse „Genug gezahlt“. Wer allerdings hinter der Kreation steckt, wird nicht verraten. „Wir lagern unsere Kampagnen nicht aus. Wir holen uns Know-how herein – vor allem im kreativen Bereich, da sind wir auch international ganz gut vernetzt. Mehr kann und will ich dazu nicht sagen“, so Richter. Auch Wahlkampfleiter Markus Fauland hat auf unsere Anfrage keine Rückmeldung gegeben. Es handelt sich laut Richter um verschiedene Menschen aus dem Marketing, aber auch aus dem internationalen Politikberatungsgeschäft. Man arbeite mit einem Pool von Experten, die man einbindet, aber die Kampagne als solche passiert inhouse. „Wir buchen auch alles selbst.“ Was man jedoch weiß: 2012 wurde die BZÖ-Werbeagentur namens Orange liquidiert, wie damals im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht wurde. Abgewickelt wurde die Gesellschaft von Michael Richter.
Doch bleiben wir in der Gegenwart. Der aktuelle orangefarbene Wahlkampf jedenfalls inkludiert Plakate, Inserate, Online-Werbung und auch Hörfunk – TV sei bei einem Wahlkampfbudget zwischen 3,5 und vier Millionen Euro schlichtweg zu teuer. Man wolle sich zudem nicht in einem Medienwahlkampf inszenieren, bloß um Wählerstimmen zu lukrieren. „Denn Politik hat unserem Verständnis nach etwas mit Stil zu tun. Wenn die Menschen das nicht wollen, dann sollen sie Strache oder Stronach wählen. Wir versuchen, uns auf der sachlichen Ebene zu bewegen.“
Genug gezahlt – das ist die Linie, die man nun fokussiert und an Beispielen klarer verdeutlicht hat. „Salopp formuliert heißt das, es geht alles besser und/oder billiger. Weil schlechter und/oder teurer, als die jetzigen politischen Verantwortlichen das machen, geht ja nicht mehr“, betont Richter und zeigt sich wütend ob der momentanen politischen Situation: „Glaubt an warme Eislutscher, die ewigen Wahrheiten des Sozialismus oder an die Marktwirtschaft – dann verwechselt aber auch bitte weiterhin Kapitalismus mit Marktwirtschaft, und das konsequent.“ Für ihn gibt es Dutzende Beispiele, die die Fehler und Ineffizienzen der derzeitigen Regierung verbildlichen. „Sehen Sie sich einmal das absurde Terminal Skylink an – zu teuer und zu schlecht. Oder auch die grüne Regierungsbeteiligung: Wunderschön, aber ob die Radwege nun grün sind oder gelb, macht wohl wirklich nicht den Unterschied.“
24 Stunden SchuleAuch mit den Themen Bildung und Armutsbekämpfung soll die moderne Mitte, wie das BZÖ seine Wählerschaft nennt, angesprochen werden. Hier gebe es, so Richter, großen Aufholbedarf. „Wenn wir sehen, dass ein Fünftel der Schulabgänger nicht richtig lesen oder schreiben kann, dann müssen doch alle Alarmglocken läuten. Oder wenn es um Armut und Armutsgefährdung geht.“ Da helfe kein Bundeskanzler, der sagt, wir seien das drittreichste Land der Welt. „Habe dein Ministergehalt, das du in der Privatwirtschaft nie bekommen würdest, aber tu das Richtige! Streite nicht seit Jahr und Tag darüber, ob die Lehrer jetzt zwei Stunden länger in der Schule bleiben müssen. Das ist nicht der Punkt, denn wenn sie gut unterrichten und die Schüler erfolgreich sind, sollen sie ruhig früher gehen. Wenn man Kinder 24 Stunden einsperren muss, um das Wissen in ihr Hirn zu trichtern, dann muss es so sein.“ Da ginge es nicht um links oder rechts, sondern um richtig oder falsch. „A bisserl mehr Vernunft, bitte“, fordert Richter auf. Der Aufruf nach Vernunft richtet sich in diesem Falle auch an die noch unentschlossene Wählerschaft, die – nach Umfragen – einen großen Teil der Bevölkerung ausmacht.
Das BZÖ fährt keinen Zielgruppenwahlkampf. „Wir setzen auf Wechselwähler – die Wählerschaft ist ja dankenswerterweise sehr mobil geworden. Wir machen auch keinen Klientelwahlkampf, das würden wir als politisch nicht ganz sauber beurteilen. Uns ist jeder Wähler gleich viel wert“, erklärt Richter. So sei man als kleine Oppositionspartei nicht in der Lage, eine Sonnenscheinpolitik verkaufen zu müssen, der es um 50 Prozent plus eine Stimme geht. „Wenn Sie sich solche Wahlkämpfe ansehen, dann unterscheiden die sich marginal. Es geht dann nur noch um den Erfolg einer Kampagne, um gutes Marketing.“ Die wichtigste Kommunikationsmaßnahme in diesem Wahlkampf sind ganz eindeutig die TV-Duelle. „Dort gewinnt oder verliert man den Wahlkampf. In der Relevanz danach liegen die Plakate und Printinserate.“ Das ORF-Wahlkampfduell, in dem Josef Bucher auf Frank Stronach traf, dürfte jedenfalls nicht viel zu einem Stimmen-Plus beigetragen haben – Buchers Taktik, ruhig zu bleiben, sei den Experten Peter Filzmaier und Sophie Karmasin nach nicht aufgegangen. Dafür gab es für die folgenden Konfrontationen etwas mehr Lob von den Analysten. Er sei aufgewacht, hieß es.
Online und Social MediaFür manche im BZÖ seien sie ein großes Thema – für andere, und da gehört Michael Richter auch dazu, ganz und gar nicht. Wir sprechen von den sozialen Medien. „Ich weiß, es handelt sich um eine relevante Ebene. Mir geht es aber nicht um Facebook-Freunde und Twitter-Botschaften und schon gar nicht um hohe Zugriffszahlen, denn die generiert man ja teilweise aus dem Irgendwo, und die sind dann oft nicht wahlberechtigt bei uns.“ So sei man „dort“ aber schon vertreten und mache auch alles selbst – sogar der Bündnisobmann. Auch Stefan Petzner sei auf sozialen Plattformen sehr aktiv. Für Richter jedenfalls haben diese keine hohe Relevanz. „Es gibt gewisse Angebote, die man digitalisieren kann, da macht das Sinn. Für uns ist es ein Medium, das wir nutzen, um unsere Botschaften zu kommunizieren, wobei wir unserem Verständnis nach niemanden überreden, sondern lediglich informieren wollen.“
Worte über andereThema: Wahlkampfbudget und -kosten. „Die Summen sind gewaltig. Was eine SPÖ im Vorwahlkampf gemacht hat, ist riesig gewesen. Die gesetzliche Wahlkampfkostenbeschränkung ist nicht einmal das Papier wert, auf dem sie steht. Manche halten sich nicht daran. Es ist okay, es ist nicht illegal“, so Richter. Er zeigt sich nachdenklich und besorgt. „Es hat Zeiten gegeben, da hat alles einen Bruchteil dessen gekostet, was es heute kostet. Diese Entwicklung halte ich für bedenklich.“ Richter fühlte sich als Wähler besser, müsste er sich diese Plakate nicht ansehen. Als Bundesgeschäftsführer übrigens auch, „weil das alles sehr teuer ist. Wir machen es, weil es dazugehört, weil wir es machen müssen. In einer entwickelten Demokratie soll man den Wählern Mündigkeit zutrauen.“ Dafür seien Plakate aber nicht gemacht, weil nur kurze Botschaften funktionieren. Richter gibt auch den Journalisten etwas mit auf den Weg. „Man braucht auch hier bessere Ausbildungen in diesem Bereich. Kaum einer kann eine Bilanz lesen, aber alle wollen den Pulitzerpreis.“